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»sie will nicht weg; meine Möddersch kann nicht schlafen!« 

     Da ich unter den Baum trat, flog die Eule ohne Laut davon; aber aus den Zweigen fiel es noch einmal auf den Grund, und da ich mich bückte, lagen Schuh’ und Kloppen und Bürsten rings umher. »Du bist ein schlechter Schütze«, sagte ich, »und morgen wirst Du hier zu sammeln haben; die Eule ist fort, leg Dich nun schlafen!« 

     »Aber morgen«, entgegnete sie hadernd, »ist sie wieder da!« Dann rief sie rückwärts in das Zimmer: »Wartet nur, Möddersch; ich komme jetzt schon gleich!« Und ein Nachthauch blähete das Linnen um ihre Kniee und trieb die feinen Härchen um ihr Antlitz.

     »Sei ruhig, Abel«, sagte ich, zu ihr hinantretend, »vor morgen Nacht soll die Eule hier geschossen sein.« 

     Da hukte sie sich eilig nieder und, das Hemd auf ihre Füße ziehend, bog sie ihr Köpfchen hinaus, daß die dunkle Haarflechte über ihre Schulter fiel. »Dank; gute Nacht!« sagte sie leise und streckete mir den hageren Arm entgegen, so daß ich ihre Hand ergreifen mußte.

     »Gute Nacht, Abel!« 

     Dann klappte das Fenster zu, und ich vernahm noch, wie sie drinnen mit leichten Füßen auf den Boden sprang.

     – – Erst nach Jahren wurde es mir klar, weshalb ich in der Nacht darauf fast widerwillig nur geschlafen hatte. Aber da ich folgenden Tages meinen

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_112.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)