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Leine, und ich, der ich gleichfalls an dem breiten Fenster stand, sahe nun den einen Thorflügel zurücksinken; aber dahinter war nur der leere Grund, auf welchen das Mondlicht schien. Der Wolf war fort und schien nicht rückkehren zu wollen. Wir standen lange, und ich dachte: Warum ließ der Alte nicht zu Anfang gleich das Thor geöffnet; denn nun scheuet sich das Thier? Oder wollte er nur um so länger sich des Knaben freuen?

     Aber endlich, als ich wieder hinsah, stand auf dem leeren Flecke eine Kreatur, einem dürren, hochbeinigen Hund vergleichbar, und schritt, fürsichtig um sich lugend, in den Hof; stand still, warf den Kopf empor und schritt dann wieder weiter. Schon wollte es zum Sprunge ansetzen, jedoch im selben Augenblicke klappte hinter ihm das Thor; ein lothrechter Riegel fiel mit Gewalt herunter, und das Zicklein war in das Haus hineingezogen.

     Der Alte nickte, indem er den einen Fensterflügel aufstieß: »Siehst Du ihn?« frug er und wies nach einer Ecke des Hofes; aber wir sahen ihn nicht, denn es lag dort tiefer Schatten; nur zwei glimmende Punkte drangen von dorther durch das Dunkel.

     Der Wildmeister legte die Büchse in des Knaben Hände. »Das ziemet Dir«, sprach er; »es ist der letzte Wolf in Deinen Wäldern.« Der Junker legte das Schießwerkzeug an seine Wange; aber da das schlagende

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_120.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)