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     »Ihr werdet hier schon schlafen können,« sprach er freundlich; »und habet somit gute Nacht!« Er reichte mir die Hand, küßte den Knaben, und wir hörten, wie er durch das andere Zimmer fortging.

     Ich setzte mich in den Sessel und deckte mir den Mantel über, Rolf warf sich angekleidet auf das Bett. Er sprach kein Wort; er hatte den Kopf gestützt und starrte auf die Thür, durch welche der Alte sich entfernt hatte. »Wer war das?« rief er plötzlich, doch als ob er zu sich selber spräche. Da frug ich ihn: »Wen meinst Du, Rolf? den Wildmeister?« 

     Er schien mich nicht zu hören, und der Glanz seiner Augen war gleichsam so nach innen gekehret, als sähen sie rückwärts in die weiteste Vergangenheit; vielleicht, denn es geschiehet ja also, stand er an dem Bette seiner Mutter, die er im vierten Jahre als eine allzeit kranke Frau verloren hatte. Und abermals rief er, jedoch frohlockend: »Jetzt weiß ich es! — Ich soll ihn grüßen!« und seine Augen warfen wieder ihre blauen Demantstrahlen.

     Als aber die Flurthür des anderen Zimmers aufging und der Schritt des Alten darin hörbar wurde, der etwa was Vergessenes zu holen kam, sprang er jählings aus der Bettstatt und ging hinein.

     Aber die Thür blieb hinter ihm um eine Spalte offen; da sahe ich den Knaben in des Alten Armen hängen, ich sah das alte Gesicht sich auf das junge

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_122.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)