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Ihr Alten, die Ihr mit ihm jung gewesen, sehet ihn noch einmal an, ob Ihr den Junker Hinrich von Grieshuus erkennen möchtet: Und fürchtet Euch nicht, denn in seinem Angesicht ist Frieden.« 

     Da lösete sich eine Reihe alter Leute aus dem Haufen, und sie traten langsam, gar einige auf Krücken oder von einem Kinde geführet, zu dem Sarge und blickten gierig und doch mit Scheu in des Todten Angesicht, das auf all ihr Schauen keine Miene regete. Bald aber erhob sich eine oder die andere Hand und strich liebkosend über das Leichenhemde oder gar an die Wange des Leichnams selber, und ich hörete: »Ach ja, der Junker! Unser Junker Hinrich!« Eine Stimme aber rief laut: »Mein Herr! mein guter Herr! Nun hast Du Deine Bärbe wieder!« Das war der alte Hans Christoph aus dem Dorfe.

     Der Oberst hatte sich zu seinem Sohn gewendet; er faßte das schöne todte Haupt in seine Hände und küßte es zu vielen Malen. »Rolf«, sprach er leise; »mein Kind! mein Kind! Vor den Wölfen hat er Dich bewahren können; der Wille Gottes ist für ihn zu stark gewesen!« 

     Die alte Matten stand auf ihren Stock gelehnet und horchete und hielt die Hand ans Ohr und nickte dann, als ob nun alles gut sei. Es war eine rechte Todtenstille geworden, die alten Leute lagen schweigend am Sarge ihres alten Herrn.

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_144.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)