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nach welcher Richtung sich dessen Forschung bewegen wird. Für diese ist der Arzt ein Fremder geblieben. Bei Anderen, die sich entschlossen haben, sich dem Arzte zu überliefern und ihm ein Vertrauen einzuräumen, wie es sonst nur freiwillig gewährt, aber nie gefordert wird, bei diesen Anderen, sage ich, ist es kaum zu vermeiden, dass nicht die persönliche Beziehung zum Arzte sich wenigstens eine Zeit lang ungebührlich in den Vordergrund drängt; ja es scheint, als ob eine solche Einwirkung des Arztes die Bedingung sei, unter welcher die Lösung des Problems allein gestattet ist. Ich meine nicht, dass es an diesem Sachverhalt etwas Wesentliches ändert, ob man sich der Hypnose bedienen konnte oder dieselbe umgehen und ersetzen musste. Nur fordert die Billigkeit, hervorzuheben, dass diese Uebelstände, obwohl unzertrennlich von unserem Verfahren, doch nicht diesem zur Last gelegt werden können. Es ist vielmehr recht einsichtlich, dass sie in den Vorbedingungen der Neurosen, die geheilt werden sollen, begründet sind, und dass sie sich an jede ärztliche Thätigkeit heften werden, die mit einer intensiven Bekümmerung um den Kranken einhergeht und eine psychische Veränderung in ihm herbeiführt. Auf die Anwendung der Hypnose konnte ich keinen Schaden und keine Gefahr zurückführen, so ausgiebigen Gebrauch ich auch in einzelnen Fällen von diesem Mittel machte. Wo ich Schaden angestiftet habe, lagen die Gründe anders und tiefer. Ueberblicke ich die therapeutischen Bemühungen dieser Jahre, seitdem mir die Mittheilungen meines verehrten Lehrers und Freundes J. Breuer die kathartische Methode in die Hand gegeben haben, so meine ich, ich habe, weit mehr und häufiger als geschadet doch genützt und manches zustande gebracht, wozu sonst kein therapeutisches Mittel gereicht hätte. Es war im Ganzen, wie es die „Vorläufige Mittheilung“ ausdrückt, „ein bedeutender therapeutischer Gewinn“.

Noch einen Gewinn bei Anwendung dieses Verfahrens muss ich hervorheben. Ich weiss mir einen schweren Fall von complicirter Neurose mit viel oder wenig Beimengung von Hysterie nicht besser zurechtzulegen, als indem ich ihn einer Analyse mit der Breuer'schen Methode unterziehe. Dabei geht zunächst weg, was den hysterischen Mechanismus zeigt; den Rest von Erscheinungen habe ich unterdess bei dieser Analyse deuten und auf seine Aetiologie zurückführen gelernt und habe so die Anhaltspunkte dafür gewonnen, was von dem Rüstzeug der Neurosentherapie im betreffenden Falle angezeigt ist. Wenn ich an die gewöhnliche Verschiedenheit zwischen meinem

Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud, Josef Breuer: Studien über Hysterie. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1895, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Studien_%C3%BCber_Hysterie_232.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)