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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Ich sah auf dich und weinte nicht. Mein Blut,
das Blut von dreißig königlichen Ahnen
floß schändlich unter unbarmherzgen Streichen,
ich weinte nicht – des Schmerzens Uebermaaß
schlug meine Zähne knirschend aneinander,
ich sah auf dich, und weinte nicht. Mein Stolz
empörte sich, ich sagte zu mir selbst:
„Bin ich nicht ein gebohrner Fürst? Ists nicht
der Boden meines Erbreichs, wo ich jezt
gleich einem Wurm mich winden muß? Wer sind sie,
die diese knechtische Begegnung sehn?
Wie heißen sie, wenn ich ein Mann seyn werde?“
Jezt fühlt ich keine Ruthe mehr, nur diese
zermalmende Erinnerung – ein Blick –
ein Blick auf dich, ich war vergnügt. Den König
erbitterte des Knaben Heldenmut.
Drei fürchterliche Stunden zwang er mich
auf hartem Holz ihn knieend abzubüßen.
So hoch kam mir der Eigensinn zu stehn,
von Rodrigo geliebt zu seyn – Du kamst,
lautweinend sankst du mir zu Füßen: „Ja,
Ja! – riefst du aus – Mein Stolz ist überwunden –
ich will bezahlen, wenn du König bist.“

Marquis.
(in der heftigsten Aufwallung)
Und mich verleugne zwischen Tod und Leben
die himmlische Barmherzigkeit – das Thor
des Paradieses schlage eilend zu,


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)