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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

II.

Ueber moderne Größe.


Die Lobeserhebungen, die man an das ieztlaufende Zeitalter verschwendet, heben sich reichlich gegen die Klagen auf, welche über den Verfall desselben geführt werden; und das achtzehnte Jahrhundert unterscheidet sich von allen vorhergehenden durch die Menge von widersprechenden Komplimenten und Sottisen, die man ihm von allen Seiten aufbürdet. Bei den gutgemeinten Beiwörtern aufgeklärt und philosophisch, womit manche das Zeitalter bestechen zu wollen scheinen, läuft man nicht so sehr Gefahr alle Geduld zu verlieren, als wenn man unbärtige Knaben an deren Seelen die Ammenmilch noch klebt, und entnervte Greise die anfangen von männlicher Energie zu träumen, wenn das Gedächtniß einer beschämenden Würklichkeit in ihnen erloschen ist, unabläßig wehklagen hört, daß Größe und Kraft, und ihre Gefährtinn, die Tugend, ausgestorben sind unter den Menschen. Ein gewisses fantastisches Ehedem das von ieher poetische Floskel war, wird uns auch iezt noch zum Ekel wiederholt. Menschen von schwachem Kopf, von frostigem Herzen, kalte Menschen, aber heiße Deklamatoren pralen mit vergangenen Zeiten, mit Jahrhunderten die nicht wiederkehren werden; und glüklich genug für ihre aufgedunsenen Lobredner,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_006.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)