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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

genommen hatte. Einen solchen Befehl hatte auch der Thorschreiber dieses Städtgens, der auf einer Bank vor dem Schlage saß, als der Sonnenwirth geritten kam. Der Aufzug dieses Mannes hatte etwas poßierliches, und zugleich etwas schrekliches und wildes. Der hagre Klepper, den er ritt, und die burleske Wahl seiner Kleidungsstüke, wobei wahrscheinlich weniger sein Geschmak als die Chronologie seiner Entwendungen zu Rath gezogen war, kontrastierte seltsam genug mit einem Gesicht, worauf so viele wüthende Affekte, gleich den verstümmelten Leichen auf einem Wahlplaz, verbreitet lagen. Der Thorschreiber stuzte beim Anblik dieses seltsamen Wanderers. Er war am Schlagbaum grau geworden, und eine vierzigjährige Amtsführung hatte in ihm einen unfehlbaren Phisiognomen aller Landstreicher erzogen. Der Falkenblik dieses Spürers verfehlte auch hier seinen Mann nicht. Er sperrte sogleich das Stadtthor, und foderte dem Reuter den Paß ab, indem er sich seines Zügels versicherte. Wolf war auf Fälle dieser Art vorbereitet, und führte auch wirklich einen Paß bei sich, den er ohnlängst von einem geplünderten Kaufmann erbeutet hatte. Aber dieses einzelne Zeugniß war nicht genug, eine vierzigjährige Observanz umzustoßen, und das Orakel am Schlagbaum zu einem Widerruf zu bewegen. Der Thorschreiber glaubte seinen Augen mehr als diesem Papiere, und Wolf war genöthigt ihm nach dem Amthauß zu folgen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_052.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)