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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

unbestechlichen Grabstichel unterwerfen, der ihre Laster oder Tugenden auf die Nachwelt bringt. Die verborgensten Winkelzüge ihres Charakters werden hervorgezogen an den Tag, welcher Schleier sie auch deke, alle ohne Unterschied müssen vor dem Richterstul der Menschheit erscheinen, die da ist und kommen wird.

Kein Tiran, finster und grausam wie dieser, bestieg seit Tiberius den Tron. Philipp der Zweite ließ das Schiff der römischen Kirche auf einer See von Menschenblut treiben. Einverstanden mit dem Inquisitionsgericht, dessen barbarische Verfolgungen in Flandern, Spanien, Amerika er beförderte, grausam von Natur und nach Grundsäzen, mußte er noch zugleich sein Vertrauen an zwei Kreaturen verschenken, die seiner vollkommen würdig waren, an den Kardinal Granvella, und den Herzog von Alba. Beiden überließ er seine königliche Macht, denn beide waren wie er unmenschlich und unerbittlich.

Seine Absicht war, die furchtbare Gewalt, die er schon besaß, durch eine geistliche Monarchie zu verstärken, weil er wußte, daß sich die leztere über den ganzen Menschen erstrekte. Eben so wie die göttliche Regierung die ganze Schöpfung umfaßt, solte der Despotismus des Glaubens ihm die ganze politische Welt unterjochen. Jeder Aufrührer wäre dann zugleich Kezer, und jeder Kezer würde als Aufrührer behandelt. Man hätte sich gegen den Monarchen vergangen, sobald man sich von der Formel seines Glaubens

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_072.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)