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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Wie? Eine ganze Nation sollte mit ruhigem Auge das Blut ihrer Nachbarinn unter widersinnigen und barbarischen Launen fließen sehen? Sobald die Geseze der Menschheit verlezt werden, tritt alles in das ursprüngliche Recht zurük; einem unterdrükten Volke beizustehen und großmüthig aufzuhelfen, das ist die Aufforderung der Natur; eine mächtige Aufforderung, welche mit den Grundsäzen der natürlichen Freiheit übereinstimmt und allen Nationen wechselsweise zu gute kommen kann, weil hier die Sache der Völker gegen die Sache einiger Fürsten in Anschlag kömmt.

Ein Staat der bei den wichtigen Unglüksfällen seiner Nachbarn sich ausschlöße, der gegen ihre Seufzer taub bliebe und alles übersähe, was nicht sein besondres Interesse verlezte; ein solcher Staat würde seinen Anspruch auf die Vermittelung oder den Beistand einer angränzenden Macht, dieses uralte und heilige Recht unglüklicher Völker, verlieren; die Unterdrüker würden auf Erden nie aussterben, denn sie könnten mit Musse die Vorrechte des gesellschaftlichen Vertrags übertreten, indem sie der Schranken der lebendigen Geseze spotteten.

Freilich wird der Despot Rebellion ausrufen, sobald sich der geringste Seufzer hören läßt, aber jeder wahre Fürst, jedes edle Volk wird der Nation beispringen die einem eisernen Joch unterliegt oder ein Raub der Anarchie wird. Er wird den Muth haben die Geseze der Natur geltend zu machen, er wird nicht zugeben,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_088.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)