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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

für den Trost in unsrer Trennung ein leichtes Opfer zu sehen, um die Freuden der künftigen Vereinigung dem Schiksal abzuverdienen. Du wußtest bis jezt noch nicht, was Entbehrung sei. Du leidest zum Erstenmale –

Und doch ists vielleicht Wohlthat für dich, daß ich gerade jezt von deiner Seite gerissen wurde. Du hast eine Krankheit zu überstehen, von der du nur allein durch dich selbst vollkommen genesen kannst, um vor jedem Rükfall sicher zu sein. Je verlaßner du dich fühlst, desto mehr wirst du alle Heilkräfte in dir selbst aufbieten, je weniger augenblikliche Linderung du von täuschenden Palliatifen empfängst, desto sicherer wird es dir gelingen, das Uebel aus dem Grunde zu heben.

Daß ich aus deinem süßen Traume dich erwekt habe, reut mich noch nicht, wenn gleich dein jeziger Zustand peinlich ist. Ich habe nichts gethan, als eine Krisis beschleunigt, die solchen Seelen wie die deinige, früher oder später unausbleiblich bevorsteht, und bei der alles darauf ankömmt, in welcher Periode des Lebens sie ausgehalten wird. Es giebt Lagen in denen es schreklich ist, an Wahrheit und Tugend zu verzweifeln. Wehe dem, der im Sturme der Leidenschaft noch mit den Spizfindigkeiten einer klügelnden Vernunft zu kämpfen hat. Was dieß heiße, habe ich in seinem ganzen Umfang empfunden, und dich vor einem solchen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft3_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)