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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

zu bezeichnen, helfen wir uns mit der stükweisen Vorstellung dreier Succeßionen: Nichts, sein Wille und Etwas. Es ist wüste und finster – Gott ruft: Licht – und es wird Licht. Hätten wir eine Real-Idee seiner wirkenden Allmacht, so wären wir Schöpfer, wie Er.

Jede Vollkommenheit also, die ich wahrnehme, wird mein eigen, sie gibt mir Freude, weil sie mein eigen ist, ich begehre sie, weil ich mich selbst liebe. Vollkommenheit in der Natur ist keine Eigenschaft der Materie, sondern der Geister. Alle Geister sind glüklich durch ihre Vollkommenheit. Ich begehre das Glük aller Geister, weil ich mich selbst liebe. Die Glükseligkeit die ich mir vorstelle, wird meine Glükseligkeit, also ligt mir daran, diese Vorstellungen zu erweken, zu vervielfältigen, zu erhöhen – also ligt mir daran, Glükseligkeit um mich her zu verbreiten. Welche Schönheit, welche Vortreflichkeit, welchen Genuß ich außer mir hervorbringe, bringe ich mir hervor, welchen ich vernachläßige, zerstöre, zerstöre ich mir, vernachläßige ich mir – Ich begehre fremde Glükseligkeit, weil ich meine eigne begehre. Begierde nach fremder Glükseligkeit nennen wir Wohlwollen, Liebe.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft3_121.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)