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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Hier, mein Raphael, hast du das Glaubensbekenntniß meiner Vernunft, einen flüchtigen Umriß meiner unternommenen Schöpfung. So wie du hier findest, gieng der Saamen auf, den du selber in meine Seele streutest. Spotte nun oder freue dich, oder erröthe über deinen Schüler. Wie du willst – aber diese Philosophie hat mein Herz geadelt, und die Perspektive meines Lebens verschönert. Möglich, mein Bester, daß das ganze Gerüste meiner Schlüße ein bestandloses Traumbild gewesen – Die Welt, wie ich sie hier mahlte, ist vielleicht nirgends, als im Gehirne deines Julius wirklich – vielleicht, daß nach Ablauf der tausend tausend Jahre jenes Richters, wo der versprochne weisere Mann auf dem Stuhle sizt, ich bei Erblikung des wahren Originales meine schülerhafte Zeichnung schaamroth in Stüken reiße – Alles diß mag eintreffen, ich erwarte es; dann aber, wenn die Wirklichkeit meinem Traume auch nicht einmal ähnelt, wird mich die Wirklichkeit um so entzükender, um so majestätischer überraschen. Sollten meine Ideen wohl schöner sein, als die Ideen des ewigen Schöpfers? Wie? Sollte der es wohl dulden, daß sein erhabenes Kunstwerk hinter den Erwartungen eines sterblichen Kenners zurük bliebe? – Das eben ist die Feuerprobe seiner großen Vollendung, und der süßeste Triumph für den höchsten

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft3_133.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)