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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

IV.

Der Geisterseher.

aus den Papieren des Grafen von O.


Es war auf meiner Zurükreise nach Kurland im Jahr 17** um die Karnevalszeit als ich den Prinzen von *** in Venedig besuchte. Wir hatten uns in **schen Kriegsdiensten kennen lernen und erneuerten hier eine Bekanntschaft, die der Friede unterbrochen hatte. Weil ich ohnedieß wünschte, das Merkwürdige dieser Stadt zu sehen und der Prinz nur noch Wechsel erwartete, um nach *** zurükzureisen, so beredete er mich leicht, ihm Gesellschaft zu leisten, und meine Abreise so lange zu verschieben. Wir kamen überein uns nicht von einander zu trennen, solange unser Auffenthalt in Venedig dauren würde, und der Prinz war so gefällig, mir seine eigene Wohnung im Mohren anzubieten.

Er lebte hier unter dem strengsten Incognito, weil seine geringe Apanage ihm nicht verstattete, die Hoheit seines Rangs zu behaupten. Zwei Kavaliere, auf deren Verschwiegenheit er sich vollkommen verlassen konnte, waren sein ganzes Gefolge. Den Aufwand vermied er mehr aus Temperament als aus Sparsamkeit. Er floh die Vergnügungen; bis zu seinem fünf und dreissigsten Jahre hatte er allen Reizzungen dieser wollüstigen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft4_068.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)