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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Stadt widerstanden. Das schöne Geschlecht war ihm gleichgültig. Tiefer Ernst und eine schwärmerische Melancholie herrschten in seiner Gemüthsart. Seine Neigungen waren still aber hartnäkig bis zum Uebermaaß, seine Wahl langsam und schüchtern, seine Anhänglichkeit warm und ewig. Mitten in einem geräuschvollen Gewühle von Menschen gieng er einsam. In seine eigne Phantasieenwelt verschlossen, war er sehr oft ein Fremdling in der wirklichen - und weil er wol wußte wie schlecht er beobachtete, so verbot er sich jedes Urtheil und übertrieb die Gerechtigkeit gegen fremdes. Niemand war mehr dazu gebohren, sich beherrschen zu lassen, ohne schwach zu sein. Dabei war er unerschrokken und zuverläßig, sobald er einmal überzeugt war,und besaß gleich großen Mut, ein erkanntes Vorurtheil zu bekämpfen und für ein andres zu sterben.

Als der dritte Prinz seines Hauses hatte er keine Aussicht zur Regierung. Sein Ehrgeiz war nie erwacht. Seine Leidenschaften hatten eine andre Richtung genommen. Er las viel, doch ohne Wahl. Eine nachläßige Erziehung und frühe Kriegsdienste hatten seinen Geist nicht zur Reife kommen lassen. Alle Kenntnisse die er nachher schöpfte vermehrten nur das verworrene Chaos seiner Begriffe, weil sie auf keinen festen Grund gebaut waren.

Er war Protestant, wie seine ganze Familie - durch Geburt, nicht nach Untersuchung, die er nie angestellt hatte, ob er gleich in einer Epoche seines Lebens

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft4_069.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)