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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

bedenkt, wie die morgenländischen Fürsten leben, wie wenig sie sich gegen unsre abendländischen gerechnet, um Regierungsgeschäfte bekümmern, indem bei ihnen weder Oper noch Bal noch Kartenspiel mit der gehörigen Wichtigkeit behandelt wird, so läßt sich leicht begreifen, daß ihnen Zeit genung zu Frivolitaeten übrig bleibt, da sie die wichtigern Angelegenheiten wie Frivolitäten behandeln.

Schach Moluk war übrigens ein sehr gewöhnlicher Schlag von Fürsten, von dem sich, wie von andern, recht viel gutes und recht viel böses sagen ließ. Er war der Laune sehr unterworfen, kam ihm nun, wenn er gerade bei guter Laune war, ein Mann von Verdienste oder eine rühmliche Handlung vor, so konnte kein Mensch ihm den Ruhm streitig machen, daß er der Fürst war, der Verdienste zu schäzzen und zu belohnen wußte; kam ihm hingegen zu Zeiten seiner üblen Laune ein Bösewicht, so war er gewiß ein strenger Richter und ein Fürst, unter dem man es nicht wagen durfte, Ungerechtigkeit zu begehen. Aber freilich mußte man nicht verlangen, daß sich seine Launen nach den Menschen richten sollten die ihm vorkamen, sondern die Menschen mußten sich nach seinen Launen richten. Auch sahe sich bei allem dem sein Historiographus im Stande immer von Zeit zu Zeit mit einem Bändchen Anektoden von rühmlichen Handlungen und geistreichen Aussprüchen des großen Schach Moluk (und der wizzigen Köpfe seines Hofes) hervorzutreten.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft4_099.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)