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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

Heinrich. Es ist nicht das erstemal, gnädige Frau, daß ich Euch sehe. Vor fünf Jahren lockte mich der Ruf der schönen Mathilde in die Augustinerkirche zu Paderborn. Ich sah’ Euch trauen mit Euerm ersten Gemahl. Aber es kostete Mühe an dem Tage zu Euerm Anblick zu kommen. Das Volk stand dicht gedrängt um Euch und Euern Bräutigam, und selbst die Heiligkeit des Platzes hielt den Ausbruch der allgemeinen Bewunderung nicht zurück.


Mathilde. Oder des allgemeinen Mitleidens, wollt Ihr vielleicht sagen. Die Wahrheit zu gestehen, Herr Ritter, ich mag nicht gern an diesen Tag erinnert sein.

Heinrich. Wie? Nicht gern an diesen Tag, der einen der ersten Männer Deutschlands zu dem Eurigen machte? Ihr war’t damals, glaub’ ich siebenzehn Jahr; die holde Fülle der Jugend stralte aus Eurer Gestalt. Aber Herrmann von Landsberg war würdig an Eurer Seite zu stehen; nie sah’ ich ein schöneres Bild des vollendeten Alters. Sein Haar färbte sich schon weiß, aber sein kraftvolles Ansehen beschämte manchen Jüngling; unter dem Schnee seines Hauptes war noch treibende Wärme sichtbar, und manche Eurer Gespielinnen schien Euer Loos zu beneiden. – Dieser Mann ist zu früh gestorben!


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft5_013.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)