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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

„Ist es diese Gewißheit also, die Sie glücklich machen kann?“

„Glücklich? O ich zweifle, ob ich es je wieder sein kann! - Aber Ungewißheit ist die schrecklichste Verdammniß! (Nach einigem Stillschweigen mäßigte er sich, und fuhr mit Wehmuth fort) Daß er meine Leiden sähe! – Kann sie ihn glücklich machen diese Treue, die das Elend seines Bruders macht? Soll ein Lebendiger eines Todten wegen schmachten, der nicht mehr genießen kann? – Wüßte er meine Qual – (hier fing er an, heftig zu weinen, und drückte sein Gesicht auf meine Brust) vielleicht – ja vielleicht würde er sie selbst in meine Arme führen.“

„Aber sollte dieser Wunsch so ganz unerfüllbar sein?“

„Freund! Was sagen Sie? – Er sah mich erschrocken an.“

„Weit geringere Anlässe, fuhr ich fort, haben die Abgeschiedenen in das Schicksal der Lebenden verflochten. Sollte das ganze zeitliche Glück eines Menschen – eines Bruders –“

„Das ganze zeitliche Glück! O das fühl’ ich! Wie wahr haben Sie gesagt! Meine ganze Glückseligkeit!“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft5_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)