Seite:De Thalia Band2 Heft6 061.jpg

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Absicht zu erreichen sucht, ist er kein Künstler. Er gebraucht die Sprache als Mittel zu einem besonderm Zwecke, nicht zu Darstellung seines Ideals. Die Kunst ist keinem fremdartigen Zwecke dienstbar. Sie ist selbst ihr eigner Zweck.

Die Wahrheit dieses Satzes kann freilich nicht eher einleuchten, als bis die jetzt herrschenden Begriffe über die Bestimmung der Kunst durch edlere verdrängt werden. Noch immer ist ein großer Theil des Publikums in Verlegenheit, wenn vom Verdienste des Künstlers die Frage ist. Unter den allgemein anerkannten Bedürfnissen ist keines, für dessen Befriedigung er arbeitet, und das Vergnügen, wofür er bezahlt wird, möchte man nicht gern für den Zweck seines Daseyns erklären. Selbst unter denen, die die höhern Geisteskräfte des Virtuosen zu schätzen wissen, entsteht oft der Zweifel, ob es keine würdigere Anwendung dieser Kräfte gebe, als den Grillen des Luxus zu fröhnen. Daher die wohlgemeinten Versuche, das Angenehme mit dem Nützlichen zu vereinigen, und die Würde der Kunst dadurch zu erhöhen, daß man sie zur Predigerinn der Wahrheit und Tugend bestimmte. Aber ist denn wirklich ihr Werth davon abhängig, daß ihr eine beschränktere Sphäre angewiesen wird? Ist es so ausgemacht, daß sie zu ihrer Empfehlung eines entlehnten Verdienstes bedarf?

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_061.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)