Seite:De Thalia Band2 Heft6 064.jpg

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edelsten Thätigkeit entwickelt, und dieß ist ein reichlicher Ersatz für alle unglücklichen Folgen ihrer Ausschweifungen. Sie waren die Stuffe, auf der der sinnliche Mensch sich von der Sklaverei der thierischen Triebe zu einer höhern Vollkommenheit emporschwang, und noch jezt rächen sie oft ihre Verachtung an dem, der sich reiner Geist genug zu seyn dünkt, um ihrer entbehren zu können.

Die wohlthätigen Wirkungen des religiösen und bürgerlichen Enthusiasmus sind einleuchtend, und daß beide zuweilen in Schwärmerei ausarten, benimmt ihrem Werthe nichts. Licht und Wärme im glücklichsten Verhältnisse bleiben immer das Ideal der menschlichen Vollkommenheit. Weniger gefährlich von dieser Seite ist indessen der ästhetische Enthusiasmus oder das verfeinerte Kunstgefühl, weil man ihm gerade das kräftigste Gegenmittel wider dergleichen Ausschweifungen, die Bildung des Geschmacks, zu verdanken hat. Aber zugleich sind die Wirkungen der Kunst auch weniger glänzend. Ihr Einfluß äußert sich oft erst in den entferntesten Folgen, und dieß ist der Grund, warum man so oft ihren Werth verkennt, und es beinahe zur Toleranz gegen den Künstler für nöthig hält, ihn irgend ein anerkannt-nützliches Geschäft anzuweisen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_064.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)