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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

Tribut, der ihm von Rechtswegen gebührte. Unfehlbar würde er dieser Schlinge entgangen seyn, hätte man ihn zu Athem kommen lassen, hätte man ihm nur ruhige Muße gegönnt, seinen eigenen Werth mit dem Bilde zu vergleichen, das ihm in einem so lieblichen Spiegel vorgehalten wurde. Aber seine Existenz war ein fortdaurender Zustand von Trunkenheit, von schwebendem Taumel. Je höher man ihn gestellt hatte, desto mehr hatte er zu thun, sich auf dieser Höhe zu erhalten; diese immerwährende Anspannung verzehrte ihn langsam, selbst aus seinem Schlaf war die Ruhe geflohen. Man hatte seine Blößen durchschaut, und die Leidenschaft gut berechnet, die man in ihm entzündet hatte.

Bald mußten es seine redlichen Kavaliers entgelten, daß ihr Herr zum großen Kopf geworden war. Ernsthafte Empfindungen und ehrwürdige Wahrheiten, an denen sein Herz sonst mit aller Wärme gehangen, fiengen nun an Gegenstände seines Spotts zu werden. An den Wahrheiten der Religion rächte er sich für den Druck, worunter ihn Wahnbegriffe so lange gehalten hatten; aber weil eine nicht zu verfälschende Stimme seines Herzens die Taumeleien seines Kopfes bekämpfte, so war mehr Bitterkeit als fröhlicher Muth in seinem Witze. Sein Naturell fieng an, sich zu ändern, Launen stellten

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_095.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)