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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

Und dennoch, gnädigster Prinz –

„Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich kann den Kreis überschreiten, den meine Geburt um mich gezogen hat – aber kann ich auch alle Wahnbegriffe aus meinem Gedächtniß herausreissen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darin gepflanzt, und hundert tausend Thoren von euch immer fester und fester darin gegründet haben? Jeder will doch gerne ganz seyn, was er ist, und unsre Existenz ist nun einmal, glücklich scheinen. Weil wir es nicht seyn können auf Eure Weise, sollen wir es darum gar nicht seyn? Wenn wir die Freude aus ihrem reinen Quell unmittelbar nicht mehr schöpfen dürfen, sollen wir uns auch nicht mit einem künstlichen Genuß hintergehen, nicht von eben der Hand, die uns beraubte, eine schwache Entschädigung empfangen dürfen?“

Sonst fanden Sie diese in Ihrem Herzen.

„Wenn ich sie nun nicht mehr darin finde? – O wie kommen wir darauf? Warum mußten Sie diese Erinnerungen in mir aufwecken? – Wenn ich nun eben zu diesem Sinnentumult meine Zuflucht nahm, um eine innere Stimme zu betäuben, die das Unglück meines Lebens macht – um diese grübelnde Vernunft zur Ruhe zu bringen, die wie eine schneidende Sichel in meinem Gehirn hin und her fährt, und mit jeder neuen Forschung einen neuen Zweig meiner Glückseligkeit zerschneidet?“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_120.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)