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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Iphigenie in Aulis – Teil 2

und alle jungfräulichen Zimmer öde,
wie glaubst du, daß mir da zu Muth seyn werde?
Wenn ungetrocknet, unversiegend um
die Todte meine Thränen rinnen, wenn

1465
ich ewig, ewig um sie jamm’re: „Er,

der dir das Leben gab, gab dir den Tod!
Er selbst, kein and’rer, er mit eig’nen Händen!“
Sieh’ zu, daß dir von deinen andern Töchtern,
von ihrer Mutter, wenn du wiederkehrst,

1470
nicht ein Empfang dereinst bereitet werde,

der solcher Thaten würdig ist. O um
der Götter willen! Zwinge mich nicht, schlimm
an dir zu handeln! Handle du nicht so
an uns! – Du willst sie schlachten? Wie? Und welche

1475
Gebethe willst du dann zum Himmel richten?

Was willst du, rauchend von der Tochter Blut,
von ihm erflehen? Fürchterliche Heimkehr
von einem schimpflich angetret’nen Zuge!
Werd’ ich für dich um Segen flehen dürfen?

1480
Um Segen für den Kindermörder flehn,

das hieße, Göttern die Vernunft abläugnen!
Und sei’s, daß du nach Argos wiederkehrst,
denkst du dann, deine Kinder zu umarmen?
O dieses Recht hast du verscherzt! Wie könnten

1485
sie dem in’s Auge sehn, der Eins von ihnen

mit kaltem Blut erschlug? – Darüber sind

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_030.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)