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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Raphael an Julius

ich wette darauf, wird je wieder so tiefe Wurzeln bei Dir schlagen, und vielleicht dürftest Du nur ganz Dir selbst überlassen seyn, um früher oder später mit Deinen Lieblingsideen wieder ausgesöhnt zu werden. Die Schwächen der entgegengesezten Systeme würdest Du bald bemerken, und alsdann bei gleicher Unerweislichkeit das wünschenswertheste vorziehen, oder vielleicht neue Beweisgründe auffinden, um wenigstens das Wesentliche davon zu retten, wenn Du auch einige gewagtere Behauptungen Preis geben müßtest.

Aber dieß alles ist nicht in meinem Plan. Du sollst zu einer höhern Freiheit des Geistes gelangen, wo Du solcher Behelfe nicht mehr bedarfst. Freilich ist dieß nicht das Werk eines Augenblicks. Das gewöhnliche Ziel der frühesten Bildung ist Unterjochung des Geistes, und von allen Erziehungskunststücken gelingt dieß fast immer am ersten. Selbst Du bei aller Elasticität Deines Charakters schienst zu einer willigen Unterwerfung unter die Herrschaft der Meinungen vor tausend andern bestimmt, und dieser Zustand der Unmündigkeit konnte bei Dir desto länger dauren, je weniger Du das Drückende

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)