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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Raphael an Julius

zu können. Bald glaubt man neue Wahrheiten entdeckt zu haben, wenn man einen Begriff in die einzelnen Bestandtheile zerlegt, aus denen er erst willkührlich zusammengesezt war. Bald dient eine unmerkliche Voraussetzung zur Grundlage einer Kette von Schlüssen, deren Lücken man schlau zu verbergen weiß, und die erschlichenen Folgerungen werden als hohe Weisheit angestaunt. Bald häuft man einseitige Erfahrungen, um eine Hypothese zu begründen, und verschweigt die entgegengesezten Phänomene, oder man verwechselt die Bedeutung der Worte nach den Bedürfnissen der Schlußfolge. Und dieß sind nicht etwa bloß Kunstgriffe für den philosophischen Charlatan, um sein Publikum zu täuschen. Auch der redlichste, unbefangenste Forscher gebraucht oft, ohne es sich bewußt zu seyn, ähnliche Mittel, um seinen Durst nach Kenntnissen zu stillen, sobald er einmal aus der Sphäre heraustritt, in welcher allein seine Vernunft sich mit Recht des Erfolgs ihrer Thätigkeit freuen kann.

Nach dem, was du ehemals von mir gehört hast, Julius, müssen Dich diese Aeußerungen nicht wenig überraschen. Und gleichwohl sind sie nicht das Produkt

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_115.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2021)