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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

wohl aus einem andern Gesichtspunkte betrachten. Der niederländische Adel machte Ansprüche, die in der ganzen Monarchie ohne Beispiel waren. Auf die stolzen Titel von ständischer Freiheit gestüzt, durch die Vorliebe und Schwäche Karls V. für sein Vaterland noch mehr in einem Eigendünkel bestärket, den er schon in so reichem Maße besaß, ließ er sich in allen seinen Handlungen von einem Geiste der Ungebundenheit leiten, der bis zum Muthwillen gieng, und mit dem Princip eines Monarchen ganz unverträglich war. Was in Brüssel eine ganz gewöhnliche und erlaubte Freiheit war, mußte nothwendig in Madrid als die gesezwidrigste Anmaßung in die Augen fallen. Auch die kastilianische Grandezza war auf ihre Vorzüge stolz; aber ein Monarch, der diese anerkannte, konnte sie an ihrem eignen Stolze, wie an einem Gängelbande leiten. Der Geist der Unabhängigkeit, der unter den spanischen Großen noch nicht hatte unterdrückt werden können, vertrug sich mit der Monarchie, ja sogar mit dem Despotismus, „weil eben diese Großen durch den Despotismus, den sie über ihre eigene Unterthanen ausübten, daran gewöhnt waren; da im Gegentheil der niederländische Adel ganz verlernt hatte, Despotismus zu ertragen, weil er selbst freien Leuten geboth, weil er selbst keinen ausüben durfte.“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft8_059.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)