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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

seiner Geburt bey Lebzeiten des andern Bruders, des jungen Königs, einigen Mißvergnügten Anlaß zu Empörungen geben möchte. Denn nach der Meynung mehrerer Aerzte wird dasjenige Zwillings-Kind, welches zuerst empfangen war, zuletzt gebohren; folglich würde jener so lange rechtmäßiger König seyn, als diese Meynung von andern Aerzten noch nicht ausgemacht ist.“

„Demohnerachet konnte die Königin sich doch nicht entschließen, die schriftlichen Beweise von seiner Geburt zu vertilgen; weil sie ihn, wenn der junge König sterben sollte, in die Rechte seines Bruders wollte treten lassen, obgleich sie noch ein andres Kind hatte. Sie verwahrte, wie sie mir öfters gesagt hat, diese schriftlichen Beweise sorgfältig in ihrem Schranke.“

Ich habe dem unglücklichen Prinzen eine Erziehung gegeben, wie ich sie mir selbst gewünscht hätte. Fürstensöhne, die von ihrem Vater anerkannt sind, könnten keine bessere erhalten. Der einzige Vorwurf den ich mir machen kann, ist dieser, daß ich, wiewohl ohne mein Willen, die Ursache seines Unglücks ward. Er war nemlich 19 Jahr alt, als er ein sonderbares Verlangen äußerte, zu wissen, wer er wäre. Ich zeigte mich entschlossen, ihm dieß Geheimniß zu verbergen und ward immer unbeweglicher, je mehr er mich mit seinen Bitten bestürmte. Endlich entschloß er sich seine Neugierde zu verstecken, und that, als ob er sich für mein eignes, ausser der Ehe erzeugtes Kind hielt. Ich

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_099.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)