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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

keinen Menschen am Hofe beleidigt und niemals Weib oder Kind gehabt hat.“

Eben dieselbe Zurückhaltung bewies Ludwig XV. auch gegen die Pompadour, und seine andren Geliebten. Sie quälten ihn vergebens mit der Bitte, ihre Neugierde zu befriedigen: er sah es selbst ungerne, daß man nur die Frage an ihn that.

Ich schließe mit der Bemerkung, daß der Geschmack des Gefangenen an sehr feiner Wäsche, mit der ihn die Gemalin des St. Mars versorgte nothwendig von seiner eingezogenen Lebensart herrührte. Mangel an Veränderung der Luft, und an Bewegung, der Zwang im Genuß der Sinnlichkeit, brachten in seinen Organen jene ausserordentliche Empfindlichkeit hervor, die man nur bey Mönchen, jungen weichlich erzogenen Menschen, und zärtlichen Weibern antrifft. Durch die beständige Ruhe des Körpers häuft sich das Blut in den äußern Theilen desselben an. Die Haut welche ihn zu oberst umgiebt wird dadurch reitzbar, das Gefühl erhöht, die Empfindlichkeit verstärkt, und der Eindruck äußerer Gegenstände wirkt durch ein so zartes Blut weit fühlbarer. Menschen hingegen die an Reisen oder starke Leibesübungen gewohnt sind, Landleute, und solche die sich mit schweren Arbeiten beschäfftigen, sind für die Eindrücke äusserer Gegenstände weniger empfindlich. Man darf sich also nicht wundern, daß dieser Prinz, der von Jugend auf eingesperrt war, der weder den Gebrauch seiner Füsse, noch die Wirkungen einer freyen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_120.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)