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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

sich zu entfalten. Weil nehmlich die Natur noch für ihn dachte, sorgte und handelte, so konnten sich seine Kräfte desto leichter und ungehinderter auf die ruhige Anschauung richten, seine Vernunft noch von keiner Sorge zerstreut, konnte ungestört an ihrem Werkzeuge der Sprache bauen, und das zarte Gedankenspiel stimmen. Mit dem Auge eines Glücklichen sah er jetzt noch herum in der Schöpfung; sein frohes Gemüth faßte alle Erscheinungen uneigennützig und rein auf, und legte sie rein und lauter in einem regen Gedächtniß nieder. Sanft und lachend war also der Anfang der Menschen, und dieß mußte seyn, wenn er sich zu dem Kampfe stärken sollte, der ihm bevorstand.

Setzen wir also, die Vorsehung wäre auf dieser Stuffe mit ihm stillgestanden, so wäre aus dem Menschen das glücklichste und geistreichste aller Thiere geworden, – aber aus der Vormundschaft des Naturtriebs wär er niemals getreten, frey und also moralisch wären seine Handlungen niemals geworden, über die Gränze der Thierheit wär er niemals gestiegen. In einer wollüstigen Ruhe hätte er eine ewige Kindheit verlebt – und der Kreis, in welchem er sich bewegt hätte, wäre der kleinstmöglichste gewesen, von der Begierde zum Genuß, vom Genuß zu der Ruhe, und von der Ruhe wieder zur Begierde.

Aber der Mensch war zu ganz etwas andern bestimmt, und die Kräfte, die in ihm lagen, riefen ihn zu einer ganz andern Glückseligkeit. Was die Natur

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_004.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)