Seite:De Thalia Band3 Heft11 020.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

dieses Gebrauches gründete sich endlich eine natürliche sanfte Obergewalt, die Patriarchen Regierung, welche aber die allgemeine Gleichheit darum nicht aufhob, sondern vielmehr befestigte.

Aber diese Gleichheit konnte nicht immer Bestand haben. Einige waren weniger arbeitsam, einige weniger von dem Glück und ihrem Erdreich begünstigt, einige schwächlicher gebohren als die andern, es gab also Starke und Schwache, Herzhafte und Verzagte, Wohlhabende und Arme. Der Schwache und Arme mußte bitten, der Wohlhabende konnte geben und versagen. Die Abhängigkeit der Menschen von Menschen fieng an.

Die Natur der Dinge hatte es einführen müssen, daß das hohe Alter von der Arbeit befreite, und der Jüngling für den Greis, der Sohn für den grauen Vater die Geschäffte übernahm. Bald wurde diese Pflicht der Natur von der Kunst nachgeahmt. Manchem mußte der Wunsch aufsteigen, die bequeme Ruhe des Greisen mit den Genüßen des Jünglings zu verbinden, und sich künftig jemand zu verschaffen, der für ihn die Dienste eines Sohnes übernähme. Sein Auge fiel auf den Armen oder Schwächern, der seinen Schutz aufforderte, oder seinen Ueberfluß in Anspruch nahm. Der Arme und Schwache bedurfte seines Beistandes, er hingegen brauchte den Fleiß des Armen. Das eine also wurde die Bedingung des andern. Der Arme und Schwache diente und empfing, der Starke und Reiche gab und gieng müßig.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_020.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)