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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Er mußte alles besser und alles in reicherm Maaße haben, als der Knecht. Der Knecht begnügte sich noch mit einer Gattin. Er erlaubte sich mehrere Weiber.

Immerwährender Genuß stumpft aber ab, und ermüdet. Er mußte darauf denken, ihn durch künstliche Reitze zu erheben. Ein neuer Schritt. Er nahm nicht mehr vorlieb mit dem, was den sinnlichen Trieb nur befriedigte; er wollte in einen Genuß mehrere und feinere Freuden gelegt haben. Erlaubte Vergnügungen sättigten ihn nicht mehr; seine Begierde verfiel nun auf heimliche.

Das Weib allein reitzte ihn nicht mehr. Er verlangte jetzt schon Schönheit von ihr.

Unter den Töchtern seiner Knechte entdeckte er schöne Weiber. Sein Glück hatte ihn stolz gemacht; Stolz und Sicherheit machten ihn trotzig. Er überredete sich leicht, daß alles sein sey, was seinen Knechten gehöre. Weil ihm alles hingieng, so erlaubte er sich alles. Die Tochter seines Knechts war ihm zur Gattin zu niedrig; aber zur Befriedigung seiner Lüste war sie doch zu gebrauchen. Ein neuer wichtiger Schritt der Verfeinerung zur Verschlimmerung.

Sobald aber nun das Beispiel einmal gegeben war, so muste die Sittenverderbniß bald allgemein werden. Je weniger Zwangs Gesetze sie nehmlich vorfand, die ihr hätten Einhalt thun können, je näher die Gesellschaft, in welcher diese Sittenlosigkeit aufkam,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_022.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)