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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

zu verschenken, denn Freunde die man sich wählt, sagte er, sind mehr werth als bloße Verwandte. Die Aussteuer schaffte er ab, weil er wollte, daß die Liebe und nicht der Eigennutz Ehen stiftete. Noch ein schöner Zug von Sanftmuth in seinem Karakter ist daß er verhaßten Dingen mildere Nahmen gab. Abgaben hießen Beiträge, Besatzungen Wächter der Stadt, Gefängniße Gemächer und die Schuldenvernichtung nannte er Erleichterung. Den Aufwand, zu dem der atheniensische Geist sich so sehr neigte, mäßigte er durch weise Verordnungen; strenge Gesetze wachten über die Sitten des Frauenzimmers, über den Umgang beider Geschlechter, und die Heiligkeit der Ehen.

Diese Gesetze, verordnete er, sollten nur auf 100 Jahre gültig seyn – wieviel weiter sah er als Lykurgus! Er begriff daß Gesetze nur Dienerinnen der Bildung sind, daß Nationen in ihrem männlichen Alter eine andere Führung nöthig haben als in ihrer Kindheit. Lykurg verewigte die Geistes-Kindheit der Spartaner, um dadurch seine Gesetze bei ihnen zu verewigen, aber sein Staat ist verschwunden mit seinen Gesetzen. Solon hingegen versprach den seinigen nur eine 100 jährige Dauer, und noch heutiges Tages sind viele derselben im römischen Gesetzbuche in Kraft. Die Zeit ist eine gerechte Richterin aller Verdienste.

Man hat dem Solon zum Vorwurf gemacht, daß er dem Volk zu große Gewalt gegeben habe, und dieser Vorwurf ist nicht ungegründet. Indem er eine

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_073.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)