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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Jahrtausenden noch bestehen, und eben das wirken, was sie neu aus der Hand des Meisters wirkten; so ist hingegen die Empfänglichkeit, die Sonderungsgabe, die bildende Energie des Schauspielers, die nicht langsam und allmählig an ihrem Werke fortarbeitet, bessert, ändert, vervollkommnet, sondern im Augenblicke des Empfangens schon vollendete Geburten in ihm selbst offenbart, auf die bestimmteste Weise nur für das Gegenwärtige berechnet. So glänzend ist der Anblick dieses Reichthums in eines Menschen Seele, so hinreissend das Talent, ihn auszuspenden, daß seine Vergänglichkeit kaum befremdet. Man erinnert sich an jene prachtvollen Blumen, deren Fülle und Zärtlichkeit alles übertrifft, die in einer Stunde der Nacht am Stengel der Fackeldistel prangen, und noch vor Sonnenaufgang verwelken. Dem so zart hingehauchten Leben konnte die Natur keine Dauer geben – und als ob mirs heute in Gleichnissen glücken sollte – in unfruchtbare Wildnisse warf sie es hin, sich selbst genügend, unbemerkt zu verblühen, bis etwa ein Mensch, wie ich das Wort verstehe, das seltenste Wesen in der Schöpfung, es findet und der flüchtigen Erscheinung genießt.

Vergebens strebt die Freundschaft, der Humanität des Künstlers ein Denkmal zu errichten, wenn diese Begeisterung, wozu sein Anblick erwecken konnte, nicht etwa die Stelle vertritt. Du wirst ihn sehen, denn er bringt dir diesen Brief; du kennst ihn schon, es ist

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_093.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)