Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält. | |
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euren Lippen, den Wucher von euren Fingern, die
scheelsehende Mißgunst aus euren Augen. Reinigt euer
Herz von Tücke, werft eure gleißnerischen Larven ab,
lasset die Waage des Richters aus euren schuldigen
Händen fallen. Wie? Glaubet ihr, daß dieses Gauckelspiel
von Eintracht mir die neidische Zwietracht verberge,
die auch an den heiligsten Banden eures Lebens
nagt? Kenne ich nicht jeden Einzelnen aus dieser Versammlung,
die durch ihre Menge mir ehrwürdig seyn
will? – Ungesehen folgt euch mein Auge – Die Gerechtigkeit
meines Hasses lebt von euren Lastern.
(zu
dem Alten)
Du maßest dich an, mir Ehrfurcht abzufodern,
weil das Alter deine Schläfe bleichte, weil die
Last eines langen Lebens deinen Nacken beugt? – Desto
gewisser weiß ich nun, daß du auch meiner Hoffnung
verloren bist! Mit leeren Händen steigst du von
dem Zenith des Lebens herunter, was du bei voller
Mannkraft verfehltest, wirst du an der Krücke nicht
mehr einhohlen. – War es eure Meynung, daß der
Anblick dieser schuldlosen Würmer (auf die Kinder zeigend)
zu meinem Herzen sprechen sollte? - O sie alle werden
ihren Vätern gleichen, alle diese Unschuldigen werdet
ihr nach eurem Bilde verstümmeln, alle dem Zweck
ihres Daseyns entführen – O warum seid ihr hieher
gekommen? – Ich kann nicht – Warum mußtet ihr
mir dieses Geständniß abnöthigen? – Ich kann nicht sanft
mit euch reden.
(er geht ab.)
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_125.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)