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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Elektra aber blieb im väterlichen Haus.
Kaum hatte ihrer Jugend Knospe sich enthüllt,
So warben straks die ersten Freier Griechenlands
Um sie, doch der Tyrann, aus Furcht, die Leibesfrucht
Elektrens möchte einst den Anherrn rächen, hielt
Im Hause sie zurück, und wies die Freier ab.
Allein, da neue Furcht sein banges Herz zerfleischt,
Verstohl’ner Liebe Pfänder dürften’s lohnen ihm,
So schwur er ihr den Tod, der Grausame, doch sie
Entrann durch ihrer Mutter Hülf’ des Frevlers Hand.
Zwar hatte diese einen Vorwand zu dem Mord
Des Gatten ausgedacht, doch hütete sie sich,
Nicht neuen Haß zu häufen durch der Kinder Mord.
Nun sann Aegisth zugleich auf einen andern Plan:
Wer Agamemnons Sohn, den flüchtigen Orest
Erlegen würde, dem versprach er hohen Lohn,
Mir aber gab Elektren er zum Weibe, daß
Geringe Furcht ihn faßte beim unmächt’gen Bräutigam.
Zwar stamm ich her aus Mykenäischem Geschlecht,
Und meine Eltern, ohne Prahlsucht sei’s gesagt,
Sind glänzenden Geblütes, aber arm
An Geld, und ohne Geld was ist des Adels Glanz!
Hätt’ einen Edlen er zum Gatten auserseh’n,
So wär’ erwacht der schon vergeßne Königs-Mord,
Und Strafe hätte dann den Mörder eingeholt.
Jedoch, was mich betrifft, ich schwör’s bei Cypria,
Noch ist Elektra Jungfrau, ungepflückt ist noch
Die Blume ihrer Keuschheit, ich von niedriger Geburt,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft12_004.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)