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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

oder Parrhasius als anerkannter Gesetzgeber der Malerey gebot, jeder ungriechische Ausdruck der Köpfe, jede Gestalt, die nicht ihren Karakter, ihre Harmonie von irgend einer griechischen Gottheit entlehnt, sinkt unverzüglich in die Region der Verunstaltung hinab. Giebt es nur eine erträgliche Statue neuerer Zeiten, wozu die griechische Mythologie nicht den Gedanken, die Formen und Verhältnisse, griechisches Kostume nicht die Gewänder hergegeben hätte? Wo ist ein Schnirkel unserer Baukunst, wenn er das Siegel des Schönen an sich trägt, dessen Urbild nicht aus dem Kopf eines Griechen stammt? Warum endlich, steht Raphael einzig unter den Neuern? Warum hatte Guido, daß ich Mengs für mich reden lasse, soviel Anlage zum großen Mahler? Weil jener die hohe Idealisirungskunst der Alten besaß, und dieser nach ihren schönsten Werken kopirte.

     Unermeßlich ist die Entfernung, in welcher die moderne Kunst hinter der alten zurückbleibt; unermeßlich! denn wer getrauet sich die Kluft zu messen, die das Wahre von dem Falschen trennt? In dieser schneidenden Bezeichnung scheint etwas hartes, vielleicht sogar unbilliges zu liegen; allein retten wir in der Folge nur den relativen Werth neuer Kunstwerke, so wird man uns eine strenge Wahrheit hingehen lassen, für welche die Recriminationen des Publikums und der Künstler selbst uns Bürgschaft leisten. Die Norm des Schönen liegt schon im Innersten unseres Wesens; sie bestimmt des Künstlers Wahl und Ausführung,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft9_092.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)