Seite:De Volkssagen Pommern 248.jpg

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darauf hinrichten, damit sie nicht verrathen sollten, wo die Schätze lägen. Dafür muß sie nun noch immer bei denselben in dem Berge Wache halten. Alle Jahre am Johannistage kommt sie aus dem Innern des Felsens hervor, und setzt sich oben auf den Königsstuhl. Dort wartet sie den ganzen Tag, ob Keiner kommen will, die Schätze zu heben und sie zu erlösen. Auf welche Weise dies geschehen kann, weiß man nicht.

Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.


211. Die Jungfrau am Waschstein bei Stubbenkammer.

Dicht bei Stubbenkammer auf Rügen erhebt sich am Strande des Meeres der Waschstein. In einer Höhle unter demselben hat vor Zeiten der berüchtigte Seeräuber Störtebeck seine Niederlage gehabt; dorthin zog er, um von seinen Räubereien auszuruhen, mit seiner Bande, welche im Lande den Namen der Vitalienbrüder hatte; dort verbarg er seine großen geraubten Schätze. Dieser Zufluchtsort war allen seinen Verfolgern unbekannt, und er war deshalb in demselben sicher vor Verfolgung.

In dieser Höhle ist es noch jetzt nicht geheuer, und man trifft allnächtlich um Mitternacht einen seltsamen Spuck darin. Insbesondere sieht man oft eine trauernde Jungfrau daraus hervorkommen, mit einem blutigen Tuche in der Hand. Mit demselben begiebt sie sich an das Wasser, um die Blutflecken herauszuwaschen. Aber dies will ihr nicht gelingen, und sie geht dann seufzend in die dunkele Höhle zurück. Von dieser Jungfrau erzählt man, daß sie ein vornehmes Fräulein aus Riga gewesen ist, die hat Störtebeck einmal auf einem Raubzuge nach Liefland gefangen und mit sich weggeführt, gerade als sie ihrem Bräutigam

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Nicolaische Buchhandlung, Berlin 1840, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Volkssagen_Pommern_248.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)