Seite:De Volkssagen Pommern 326.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Laut erscholl des Priesters zornig Wüthen,
Gleich dem Donner durch den öden Thurm,
Und die sonst so bleichen Wangen glühten
Wie der Abendhimmel vor dem Sturm.

„Folget mir hinaus!“ rief er, und Alle
Thaten schweigend, wie sein Wort gebot.
„Eh’ ich diesen Frevel dulde, falle
Diese Burg und gebe mir den Tod!“

Hundert Schritte aufwärts in dem Haine
Steht er still und winkt der Mädchen Schaar.
„Hier,“ ruft er, auf diesem breiten Steine
„Wird die Schuldige uns offenbar.“

„Nackten Fußes tretet auf die Mitte
Dieses Steines nach einander hin;
An dem deutlich eingeprägten Tritte
Kennen wir die freche Sünderin.“

Sprach’s, und Alle schritten kühn hinüber;
Wunna blieb zuletzt. Noch keine Spur.
Ach da wurden ihre Augen trüber
Und sie wankte, bleich und zitternd, nur.

Trat hinauf. Doch wehe! schallt’s im Haine
Aus des Priesters und der Jungfrau’n Mund.
In dem wunderhaften Göttersteine
Thaten sich zwei Spuren deutlich kund.

Von dem eig’nen Fuße war die eine
Und die and’re zart wie Kindestritt.
Deutlich war die Schuld, als sie vom Steine
Bleich und überrascht herniederschritt.

Was sie selbst sich nicht gestehen wollte,
Ja, was ihr vielleicht noch Räthsel war,

Empfohlene Zitierweise:
Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Nicolaische Buchhandlung, Berlin 1840, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Volkssagen_Pommern_326.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)