Seite:De Wegener Kontinente 012.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sein werden, kommen zu dem Ergebnis, daß wenigstens unter den Kontinentalschollen tatsächlich mehr Wärme erzeugt als abgeführt wird, die Temperatur also hier ansteigen muß, während allerdings im Gebiet der Tiefseebecken umgekehrt die Abgabe gegenüber der Produktion überwiegt, und es so für die ganze Erde zu einem Gleichgewicht zwischen Produktion und Abgabe kommt. Jedenfalls sieht man hieraus, daß durch diese neuen Anschauungen der Kontraktionstheorie ihre Grundlage völlig entzogen wird.

     Aber auch noch manche anderen Schwierigkeiten erheben sich gegen die Kontraktionstheorie und ihre Gedankengänge. Die Vorstellung eines schrankenlosen zeitlichen Wechsels zwischen Kontinent und Meeresboden, die durch die marinen Sedimente auf den heutigen Kontinenten nahegelegt war, mußte stark eingeschränkt werden. Denn bei der genaueren Untersuchung dieser Sedimente zeigte sich immer deutlicher, daß es sich fast ohne Ausnahme um Flachseesedimente handelte. Manche früher für Tiefseeablagerungen angesprochenen Sedimente erwiesen sich als der Flachsee entstammend, wie es z. B. für die Schreibkreide von Cayaux nachgewiesen wurde. Dacqué [22] hat eine gute Übersicht über diese Frage gegeben. Nur bei ganz wenigen Sedimenten, wie den kalkarmen Radiolariten der Alpen und gewissen roten Tonen, die an den roten Tiefseeton erinnern, nimmt man auch heute noch große Entstehungstiefen (4 bis 5 km) an, vor allem, weil das Seewasser erst in großer Tiefe auflösend auf den Kalk wirkt. Aber die räumliche Erstreckung dieser echten Tiefseeablagerungen auf den heutigen Kontinenten ist, verglichen mit der Größe dieser letzteren und der auf ihnen liegenden Flachseesedimente, so verschwindend, daß der Satz von der grundsätzlichen Flachseenatur der fossilen Meeresablagerungen auf den heutigen Kontinenten dadurch nicht beeinträchtigt wird. Hierdurch entsteht aber für die Kontraktionstheorie eine große Schwierigkeit. Denn da wir die Flachsee geophysikalisch mit zur Kontinentalscholle rechnen müssen, so besagt dieser Satz, daß die Kontinentalschollen als solche in der Erdgeschichte „permanent“ geblieben sind und niemals den Boden der Tiefsee gebildet haben. Dürfen wir dann noch annehmen, daß der heutige Tiefseeboden jemals Kontinent war? Die Berechtigung dieses Schlusses ist offenbar mit der Feststellung der Flachseenatur der marinen Ablagerungen auf den Kontinenten verloren gegangen. Aber mehr als das, dieser Schluß führt jetzt auf einen offenen Widerspruch. Wenn wir nämlich jene Zwischenkontinente nach Art der Abb. 2 rekonstruieren, also

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_012.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)