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     Diese Werte weisen auf eine Verschiebung Madagaskars relativ zum Meridian von Greenwich um den großen Betrag von 60 bis 70 m pro Jahr hin. In unserer Tabelle S. 25 ist ein wesentlich kleinerer Betrag für die Verschiebung relativ zu Afrika genannt. Es scheint also, als ob auch Südafrika sich relativ zu Greenwich nach Osten bewegt, worüber die Verschiebungstheorie wegen der großen Entfernung dieser Gebiete voneinander keine brauchbaren Aussagen mehr machen kann. Es ist zu hoffen, daß auch die Längen von Südafrika künftig überwacht werden, um auf diese Weise auch die Längendifferenz Madagaskars gegen Südafrika, auf die es in der Verschiebungstheorie am meisten ankommt, kontrollieren zu können. Auch wären wiederholte genaue Breitenbestimmungen an beiden Stellen notwendig, um auch die andere Komponente der relativen Bewegung Madagaskars zu Afrika messend verfolgen zu können. Jedenfalls aber geht die beobachtete Längenänderung Madagaskars im Sinne der Verschiebungstheorie vor sich. Zu beachten ist natürlich auch hier, daß die älteste Messung mit dem Monde ausgeführt ist, woraus sich ähnliche Einwände ergeben wie [im Original wir] für die oben besprochenen Messungen in Nordostgrönland. Aber die Gesamtverschiebung, die hier fast 21/2 km beträgt, ist doch so groß, daß die Annahme, sie beruhe vollständig auf Beobachtungsfehlern, sehr wenig Wahrscheinlichkeit beanspruchen darf. Auch auf Madagaskar ist aber Vorsorge für weitere Wiederholungen der Messungen getroffen, so daß voraussichtlich in kurzem auch von dort einwandfreie Ergebnisse vorliegen werden.

     Auf dem Geodätenkongreß im Jahre 1924 in Madrid und weiter auf der Tagung der internationalen astronomischen Union im Jahre 1925 ist ein umfangreicher Plan zur Verfolgung der Kontinentverschiebungen mittels funkentelegraphischer Längenbestimmungen aufgestellt worden, wonach solche Messungen nicht nur zwischen Europa und Nordamerika stattfinden sollen, sondern auch auf Honolulu, in Ostasien, Australien und Hinterindien. Die erste Vermessungsserie gemäß diesem Programm ist im Herbst 1926 zur Durchführung gelangt; über die von französischer Seite erhaltenen Ergebnisse hat soeben G. Ferrié berichtet [213]. Etwaige Änderungen werden sich natürlich erst bei späteren Wiederholungen zeigen können. Wie es scheint, ist übrigens bei diesem Plane nur wenig Rücksicht auf die Frage genommen, an welchen Stellen der Erde nach der Verschiebungstheorie meßbare Änderungen zu erwarten sind. Doch läßt das Beispiel Grönlands und Madagaskars hoffen, daß der Beobachtungsplan nach dieser Richtung noch ausgebaut wird.

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_032.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)