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zu zahlreichen Widersprüchen mit den Beobachtungen führt. Simroth hat, um die Pendulationstheorie zu beweisen, ein umfangreiches biologisches Tatsachenmaterial gesammelt, welches zwar gute Belege für Polwanderungen enthält, aber von der behaupteten strengen Gesetzmäßigkeit des Hin- und Herpendelns nicht überzeugen kann. Richtiger natürlich ist der rein induktive Weg, nämlich ohne vorgefaßte Meinung über das Ergebnis die Lage der Pole aus den fossilen Klimazeugen einfach abzuleiten. Diesen Weg ist namentlich Kreichgauer in seinem klar geschriebenen Buche gegangen, wenn er sich auch neben den eigentlichen Klimazeugen noch auf ein unzureichend begründetes Dogma über die Anordnung der Gebirge stützt. Fast alle diese Versuche ergeben für die jüngeren Zeiten ungefähr das gleiche Resultat, zu dem auch Köppen und der Verfasser gekommen sind, nämlich eine Lage des Nordpols zu Beginn des Tertiärs in der Nachbarschaft der Aleuten und von da eine Wanderung nach Grönland, wo er zu Beginn des Quartärs anzutreffen ist[1]. Für diese Zeiten ergeben sich auch keine größeren inneren Unstimmigkeiten. Anders wird es jedoch für die Zeiten vor der Kreide. Hier gehen nicht nur die Ansichten der genannten Autoren weit auseinander, sondern es führen alle diese Rekonstruktionen, weil sie die Unveränderlichkeit der Lage der Kontinente zueinander als selbstverständlich voraussetzen, auf hoffnungslose Widersprüche, und zwar charakteristischerweise auf Widersprüche solcher Art, daß sie für jede überhaupt denkbare Pollage ein absolutes Hindernis bilden.

     Legt man dagegen die Verschiebungstheorie zugrunde, trägt man also die fossilen Klimazeugnisse in eine nach dieser Theorie entworfene Kartengrundlage für die betreffende Zeit ein, so verschwinden diese Widersprüche vollständig, und alle Klimazeugnisse ordnen sich von selbst zu dem uns aus der Gegenwart vertrauten Bilde der Klimazonen: zwei Trockenstreifen, zwischen denen ein feuchter Streifen längs eines Großkreises die Erdkugel umzieht und die mit letzterem zusammen alle Zeugnisse für tropische Wärme


  1. Diese Pollage im Frühquartär hat erst neuerdings wieder durch eine Reihe biologischer Tatsachen, die v. Ihering [122] aus Südamerika beigebracht hat, eine auffallende Bestätigung erfahren, worauf Köppen [127] hingewiesen hat. v. Ihering selbst will diese Tatsachen freilich durch Wechsel der Meeresströmungen bei der heutigen Pollage erklären, meines Erachtens in unzulässiger Weise, worauf indessen hier nicht eingegangen werden kann, da die Frage außerhalb unseres Themas liegt.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_134.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)