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um so umfangreicher sind die Faltungsvorgänge. E. Kayser [34] schreibt: „Es ist von großer Bedeutung, daß die ältesten archäischen Gesteine überall auf der Erde stark gestört und gefaltet sind. Erst vom Algonkium an finden sich neben gefalteten hier und da ungefaltete oder nur schwach gefaltete Ablagerungen. Gehen wir zur nachalgonkischen Zeit über, so sehen wir, wie die Ausdehnung und Zahl der starren unnachgiebigen Massen hier immer größer und dementsprechend der Umfang der faltbaren Krustenteile immer beschränkter wird. Dies gilt besonders für die karbonisch-permischen Stauungen. In nachpaläozoischer Zeit schwächten sich die faltenden Kräfte allmählich mehr und mehr ab, um indes in der jüngeren Jura- und der Kreidezeit wieder zu erwachen und in der jüngeren Tertiärzeit einen neuen Höhepunkt zu erreichen. Es ist aber sehr bezeichnend, daß das Verbreitungsgebiet dieser jüngsten großen Gebirgsstauung selbst hinter der karbonischen Faltung ganz beträchtlich zurückblieb.“

     Hiernach steht die Annahme, daß die Sialsphäre einstmals die ganze Erde umgab, jedenfalls nicht mit den sonstigen Anschauungen im Widerspruch. Diese verschiebbare und selber plastische Erdhaut wurde nun durch Kräfte, deren Natur im 9. Kapitel erörtert wurde, auf der einen Seite aufgerissen, auf der anderen zusammengeschoben. Die Entstehung und Erweiterung der Tiefsee stellt also nur die eine Seite dieses Prozesses dar, deren andere Seite in der Faltung besteht. Auch biologische Gründe scheinen dafür zu sprechen, daß die Tiefsee erst im Laufe der Erdgeschichte sich herausgebildet hat. So schreibt Walther [194]: „Allgemeine biologische Gründe, die stratigraphische Stellung der heutigen Tiefseefauna, ebenso wie tektonische Untersuchungen drängen uns die Überzeugung auf, daß die Tiefsee als Lebensbezirk keine primitive Eigenschaft der Erde aus den ältesten Perioden ist, und daß ihre erste Anlage in dieselbe Zeit fällt, wo in allen Teilen der jetzigen Kontinente tektonische Faltungsbewegungen einsetzen und das Relief der Erdoberfläche so wesentlich umgestalten.“ Die ersten Risse der Sialsphäre, in denen die Simasphäre zum ersten Male zutage trat, mögen denen ähnlich gewesen sein, welche heute die ostafrikanischen Gräben bilden. Sie öffneten sich um so weiter, je größere Fortschritte die Faltung des Sials machte. Es war ein Vorgang, den wir etwa mit dem Zusammenfalten eines runden Papierlampions vergleichen können. Auf der einen Seite Öffnung, auf der anderen Zusammenschub. Höchstwahrscheinlich ist es die Fläche des allgemein für sehr alt gehaltenen Pazifischen

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_208.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)