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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Hier wohnt Clauren und wird von den Gebildeten verabscheut; darum war alles neugierig auf den Menschen, der es gewagt, mit ihm anzubinden. Es geht mir wie in einem Märchen, die berühmtesten Männer, Künstler, Schriftsteller, Buchhändler, besuchen mich, Fouqué, Rauch, Schadow, W. Alexis, Devrient u. s. w.“ In die hochangesehene litterarische Mittwochsgesellschaft eingeführt, hatte er die Ehre, dort selbst seine Kontroverspredigt zum „Mann im Monde“ vorlesen zu dürfen und mit reichem Beifall belohnt zu werden. Was es Hauff besonders leicht machte, sich nicht nur im Publikum, sondern auch unter seinen Nebenbuhlern warme Freunde zu erwerben, war der bescheidene, anspruchslose Charakter, den sich der so viel Gefeierte trotz allen Beifalls zu bewahren wußte. Wilibald Alexis, dessen Freundschaft er sich hier vor allem erwarb, sagt von ihm in seinem Freundesnachrufe[1]: „Durch den Umgang mit dem anspruchslos bescheidenen Mann lernte ich den Dichter kennen … Die Offenheit, mit der er selbst alle seine Schwächen und Mängel erkannte, konnte nur Vertrauen einflößen. Nie sah ich jemand wie ihn eine herbe Kritik aufnehmen; er malte eher die Rüge noch schwärzer, als sie gemeint war.“ Und welch tiefen Eindruck solche allgemeine Anerkennung auf Hauffs jugendlich empfängliches Herz machte, geht auch aus einigen Worten eines Briefes hervor, den er unter den Eindrücken seines Berliner Aufenthaltes nach Stuttgart schrieb. „Ich bin unaussprechlich glücklich“, heißt es hier, „ich habe etwas geleistet und fühle, daß ich noch Höheres leisten kann; ich bin geachtet, geliebt, und was das Höchste ist, ich weiß, daß zu Haus ein Wesen meiner wartet, das mich zum glücklichsten der Sterblichen machen wird.“

Von Berlin aus fuhr Hauff nun noch nach Leipzig und Dresden, wo er in Ludwig Tieck, den er hoch verehrte, bereits einen warmen Gönner wußte. „Ich möchte oft weinen über unsere Litteratur“, schreibt er aus Leipzig[2]. „Was für einem Anblick gehe ich in Dresden entgegen, da sitzt Tieck, der herrliche Tieck, bei dem ganz Deutschland in die Schule gehen sollte, allein und verlassen. Gegenüber tanzt das Gnomen- und Zwergvolk um den Abendzeitungsgott Th. Hell, machen Sonettchen und Glossen, Dramachen, Lustspielchen, Triolettchen, quaken lustig im Sumpf und halten sich für ganz tüchtige Nachtigallen, weil es immer einer dem andern versichert, mit der Voraussetzung, der andere fahre retour.“

Am 17. November traf Hauff wieder in Nördlingen bei der Braut ein und kehrte bald darauf nach Stuttgart zurück, wo er nun eine reiche [13] Thätigkeit zu beginnen hoffte. Noch auf seiner Reise war ihm von Cotta die Redaktion des „Morgenblattes“ angeboten worden, zu deren Übernahme vom 1. Januar 1827 an er sich bereit erklärte. Er hatte dabei jedenfalls gehofft, seine eigenen Ideen und Pläne in dieses Blatt hineintragen und es seinen Wünschen gemäß umgestalten zu können, doch sollten ihm in dieser Beziehung von seinem Chef, dem streng an seinen Grundsätzen festhaltenden Herrn von Cotta, feste Schranken gezogen werden, die ihn oft an der Ausführung seiner jugendlich reformatorischen Pläne hinderten. Besonders zwei seiner Briefe des Jahres 1827 geben davon Zeugnis; der erste derselben ist an den Schriftsteller und Dichter Ludwig Robert (1778–1832), den Bruder der bekannten Rahel, der Gattin Varnhagens von Ense, in Berlin gerichtet und am 7. Juni 1827 geschrieben[3]; hierin heißt es unter anderem: „Ihre Bemerkungen über Form und Inhalt (nämlich des ‚Morgenblattes‘) finde ich, wenn ich es sagen darf, um so richtiger, als sie dem größten Teil nach mit dem übereinstimmen, was ich Herrn von Cotta über das Blatt schrieb, als er mich um Rat darüber fragte und darauf hindeutete, mir die Leitung anzuvertrauen. Ich schmeichelte mir auch, als ich die Sache so von ferne sah, daß es mir, soweit es in meinen Kräften stünde, gelingen möchte, dieses schwürige Reformationsgeschäft zu vollbringen. Aber – ich hatte die Rechnung, wie man sagt, ohne den Wirt gemacht, und dieser machte mir einen Strich durch die Rechnung. Nämlich ich stieß auf zweierlei große Hindernisse –; einmal sagte mir Herr von Cotta deutlich, daß sein Blatt kein rein belletristisches, sondern ein allgemein bildendes und unterhaltendes sein solle, und in diesem Sinne müsse es redigiert werden … Sehr enge hängt damit ein zweiter Punkt zusammen: das Vielerlei, das sich in jedem Blatte findet … Auch wünscht man jeden Monat oder doch von sechs zu sechs Wochen eine Erzählung zu finden; daß auch hier das Gegenteil mir angenehm gewesen wäre, können Sie sich denken, da man von mir mehrere wünscht, und es doch für einen Redakteur von einiger Diskretion nicht angenehm ist, sich selbst einen Monat lang zu lesen. Herr von Cotta ist Eigentümer des Blattes und hat es nicht unter meine freie Willkür gestellt, deswegen fürchte ich durch auffallende Einsprüche, besonders wenn sie sich auf das Formelle beziehen, eher Mißtrauen in meine Einsicht als ein geneigtes Ohr zu finden, und, redlich gestanden, gegenüber Herrn von Cotta, der so viel älter an Erfahrung in dieser Sache ist, möchte ich auch nicht für unbescheiden gelten …“ Der andere, schon am 17.


  1. Berliner Konversationsblatt vom 1. Dezember 1827, Nr. 238.
  2. „Nord und Süd“ 1878, V.
  3. Original im Besitze der Varnhagenschen Autographensammlung zu Berlin
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 12–13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_013.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)