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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

April desselben Jahres geschriebene Brief[1] ist an Brockhaus in Leipzig, den Herausgeber der „Blätter für litterarische Unterhaltung“, gerichtet; der hierauf bezügliche Anfang lautet: „Euer Wohlgeboren erhalten anbei a) eine Rezension über W. Scotts ‚Leben Napoleons‘; b) eine andere Rezension über ein soeben hier erschienenes Werk. Was die letztere betrifft, so bitte ich um schnellen Abdruck, weil das Werk selbst eine Schande der deutschen Litteratur ist! … Ich habe diese Rezension dem Cottaschen Litteraturblatt, als meinem zunächst gelegenen, geben wollen, aber können Sie sich denken? die Aufnahme wurde mir, der ich doch Redakteur des ‚Morgenblatts‘ bin, versagt – weil Cotta eben durch Dr. Hermes eine neue umfassendere kritische Zeitschrift herausgeben will …“ Das hier unter b) genannte Werk war die von Karl Heinrich Hermes (1800–1856), dem Herausgeber der „Britannia“ in Stuttgart, verfaßte Schrift: „Über Shakespeares Hamlet und seine Beurteiler Goethe, A. W. Schlegel und Tieck“ (Stuttgart 1827). Hauffs Rezension wurde in Nr. 110 und 111 der „Blätter für litterarische Unterhaltung“ vom 11. und 12. Mai 1827 abgedruckt; in Nr. 155 vom 6. Juli erschien von Dr. Hermes eine Entgegnung auf diese scharfe Rezension und gleichzeitig wieder auf diese eine Verteidigung von Hauff.

Bald nach seiner Rückkehr in die Heimat erhielt Hauff noch einen weiteren Antrag. Sein jugendlicher Landsmann, der als Opern- und Klavierkomponist bekannte Julius Benedikt (1804–85), bat ihn um einen Operntext und erhielt gleichfalls des Dichters Zusage. Einige in Hauffs Nachlaß vorgefundene fertige Szenen, die einen Stoff aus der mittleren deutschen Geschichte behandeln, sind noch vorhanden. Zu den ersten Erzeugnissen seiner Muse nach der Reise gehören auf jeden Fall „Die Bettlerin vom Pont des Arts“, die „Phantasien im Bremer Ratskeller“ und einige Skizzen. Die übrige Zeit dieser Wintermonate aber nahmen wohl hauptsächlich die Braut und die Vorbereitung zur baldigen Hochzeit in Anspruch. Am 13. Februar 1827 fand die feierliche Vermählung des glücklichen jungen Paares statt, das sich nun ein trauliches Heim in einem Hause der Gartenstraße in Stuttgart einrichtete. Die wenigen Monate, die dem Dichter noch beschieden waren, sind ihm eine Zeit des reinsten, ungetrübtesten Glückes gewesen. Hauff hat innig, treu und wahrhaft geliebt, so seine Gattin, so seine Freunde. Über diese stille, innige Liebe haben wir von seiner eigenen Hand ein herrliches Zeugnis aus den ersten Tagen seiner jungen Ehe. Am 18. Februar 1827 schrieb er an seinen Jugendfreund, den Referendar Moritz [15] Pfaff in Ellwangen, folgenden Brief[2], der uns voll und ganz des Dichters Glück und Freude, aber auch wiederum seine gewinnende Bescheidenheit darthut:

Brief an den Referendar Moritz Pfaff in Ellwangen.
18. Februar 1827.

„Mein Moritz! Ich habe viele Bilder in diesem Leben gesehen, gedacht, auch wohl erfunden und niedergeschrieben, aber keines hat mir so gefallen wie ein ‚Stillleben‘, das ich Dir beschreiben will. Denke Dir ein kleines (warmes) Stübchen; es ist tief am Abend, und die Kerze auf dem Tisch beinahe abgebrannt. Eine Thüre ist geöffnet in ein Schlafzimmer (was an zwei Betten bemerklich), vielleicht um dort ein wenig warm zu halten. Auf dem Sofa hinter dem Tisch und dem Stümpfchen Licht sitzt ein Mann im Pelzschlafrock; er schreibt. Neben ihm sitzt eine junge Frau; sie hat das Strickzeug in den Schoß sinken lassen. Sie heftet ihr Auge voll Liebe auf den Schreibenden, sie scheint über ihn nachzudenken, und das Licht, das auf ihre angenehmen Züge fällt, zeigt, daß ihre Gedanken ein zufriedenes, glückliches Resultat geben können. – Jetzt sieht der Mann von seiner Arbeit auf, er sieht die Frau voll Wonne an, und – Du, wenn Du zufällig statt des Mondes ins Stübchen schautest, würdest Deinen glücklichen Freund erkennen. Mein Lieber! ich bin froh, daß ich um zweitausend Jahre nach Polykrates geboren bin und keinem Aberglauben mehr anheimfalle, sonst müßte mich mitten im Glück der furchtbar mahnende Gedanke traurig machen ‚noch keinen sah ich glücklich enden, auf den mit immer vollen Händen die Götter ihre Gaben streun‘. Ich bin so jung, ich habe viel Glück gehabt in der Welt. Oder ist es nicht ein Glück, daß ich bei so ausgezeichneter Anlage zum Leichtsinn, zum Trunk, Spiel und Lüge, bei einer Anlage, die sich so frühe Bahn brach, wo hundert andere zu Grunde gehen, ehe sie noch das eigentliche Leben kennen lernten, in diesem Klosterpferch nicht zu Grunde ging, daß ich eine schwächliche, aber höhere Natur auf wunderbare Weise noch errettete? War ich nicht auf dem äußersten Rand, durch Rede und That gemein zu sein, und hat mir nicht ein edlerer Sinn hin und wieder die Wagschale gehalten? Hab ich nicht mit Leichtsinn ein Band geknüpft, das mich fesselte, ohne zu überdenken, ob denn auch der Stand für mich passe, für welchen man mich erzog? Hätten nicht andere das leichtgeknüpfte Band wieder zerrissen, wie man eine Ferien-Suite vergißt? Wer hat mich davor bewahrt? Wer


  1. Original im Besitze des Kammerherrn Baron H. von Donop in Wiesbaden.
  2. Abgedruckt in einem Privatkatalog des Herrn Alex. Meyer Cohn in Berlin, in dessen Besitz sich der betreffende Brief befindet.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 14–15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_014.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)