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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Wie? ist der Krieg nicht entschieden?“ fragte Georg neugierig. „Hat der Württemberger Bedingungen angenommen?“

„Dem macht man gar keine mehr“, antwortete Dieterich mit wegwerfender Miene, „er ist die längste Zeit Herzog gewesen, jetzt kommt das Regieren auch einmal an uns. Ich will Euch etwas sagen“, setzte er wichtig und geheimnisvoll hinzu, „aber bis jetzt bleibt es noch unter uns; die Hand darauf. Ihr meint, der Herzog habe 14,000 Schweizer? Sie sind wie weggeblasen. Der Bote, den wir nach Zürch und Bern geschickt haben, ist zurück; was von Schweizern bei Blaubeuren und auf der Alb liegt – muß nach Haus.“

„Nach Haus zurück?“ rief Georg erstaunt, „haben die Schweizer selbst Krieg?“

„Nein“, war die Antwort, „sie haben tiefen Frieden, aber kein Geld; glaubt mir, ehe acht Tage ins Land kommen, sind schon Boten da, die das ganze Heer nach Haus zurückrufen.“

„Und werden sie gehen?“ unterbrach ihn der Jüngling, „sie sind auf ihre eigene Faust dem Herzog zu Hülfe gezogen, wer kann ihnen gebieten, seine Fahnen zu verlassen?“

„Das weiß man schon zu machen; glaubt Ihr denn, wenn an die Schweizer der Ruf kommt, bei Verlust ihrer Güter und bei Leib- und Lebensstrafe nach Haus zu eilen[Hauff 1], sie werden bleiben? Ulerich hat zu wenig Geld, um sie zu halten, denn auf Versprechungen dienen sie nicht.“

„Aber ist dies auch ehrlich gehandelt“, bemerkte Georg, „heißt das nicht dem Feinde, der in ehrlicher Fehde mit uns lebt, die Waffen stehlen und ihn dann überfallen?“

„In der Politica, wie wir es nennen“, gab der Ratsschreiber zur Antwort und schien sich dem unerfahrenen Kriegsmann gegenüber kein geringes Ansehen geben zu wollen. „In der Politica wird die Ehrlichkeit höchstens zum Schein angewandt; so werden die Schweizer z. B. dem Herzog erklären, daß sie sich ein Gewissen daraus machen, ihre Leute gegen die Freien Städte dienen zu lassen; aber die Wahrheit ist, daß wir dem großen Bären mehr Goldgülden in die Tatze drückten als der Herzog.“

„Nun, und wenn die Schweizer auch abziehen“, sagte Georg, [87] „so hat doch Württemberg noch Leute genug, um keinen Hund über die Alb zu lassen.“

„Auch dafür wird gesorgt“, fuhr der Schreiber in seiner Erläuterung fort, „wir schicken einen Brief an die Stände von Württemberg und ermahnen sie, das unleidliche Regiment ihres Herzogs zu bedenken, demselben keinen Beistand zu thun, sondern dem Bunde zuzuziehen.“[Hauff 2]

„Wie?“ rief Georg mit Entsetzen, „das hieße ja den Herzog um sein Land betrügen; wollt Ihr ihn denn zwingen, der Regierung zu entsagen und sein schönes Württemberg mit dem Rücken anzusehen?“

„Und Ihr habt bisher geglaubt, man wolle nichts weiter als etwa Reutlingen wieder zur Reichsstadt machen? Von was soll denn Hutten seine 42 Gesellen und ihre Diener besolden? Wovon denn Sickingen seine 1000 Reiter und 12,000 zu Fuß, wenn er nicht ein hübsches Stückchen Land damit erkämpft? Und meint Ihr, der Herzog von Bayern wolle nicht auch sein Teil? Und wir? Unsere Markung grenzt zunächst an Württemberg –“

„Aber die Fürsten Deutschlands“, unterbrach ihn Georg ungeduldig, „meint Ihr, sie werden es ruhig mit ansehen, daß Ihr ein schönes Land in kleine Fetzen reißet? Der Kaiser, wird er es dulden, daß Ihr einen Herzog aus dem Lande jagt?“

Auch dafür wußte Herr Dieterich Rat. „Es ist kein Zweifel, daß Karl seinem Vater als Kaiser folgt; ihm selbst bieten wir das Land zur Obervormundschaft an, und wenn Österreich seinen Mantel darauf deckt, wer kann dagegen sein? Doch, sehet nicht so düster aus; wenn Euch nach Krieg gelüstet, da kann Rat dazu werden. Der Adel hält noch zum Herzog, und an seinen Schlössern wird sich noch mancher die Zähne einbrechen. Wir verschwatzen übrigens das Mittagsmahl, kommt bald nach, daß wir erfahren, was Frau Sabina uns gekocht hat.“ Damit verließ der Schreiber des Großen Rates von Ulm so stolzen Schrittes, als wäre er selbst schon Obervormund von Württemberg, das Zimmer seines Gastes.

Georg sandte ihm nicht die freundlichsten Blicke nach. Zürnend schob er seinen Helm, den er noch vor einer Stunde mit so

Anmerkungen (Hauff)

  1. [166] Die Eidgenossen verboten zuerst nur die Werbungen des Herzogs in ihren Landen, wie aus Sattler, Beilage Nr. 8 zum zweiten Teil der Herzoge erhellt. Nachher riefen sie ihre Leute ganz zurück, und zwar auf die Vorstellungen des Schwäbischen Bundes.
  2. [166] Ein gedrucktes Schreiben „des Bundes zu Schwaben an gemeine Landschaft zu Württemberg“ dieses Inhaltes vom 24. Mart. 1519 findet sich in der Beilage Nr. 12 bei Sattler.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 86–87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_066.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)