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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

freudigem Mute zu seinem ersten Kampf geschmückt hatte, in die Ecke; mit Wehmut betrachtete er sein altes Schwert, diesen treuen Stahl, den sein Vater in manchem guten Streite geführt, den er sterbend seinem verwaisten Knaben als einziges Erbe vom Schlachtfeld gesendet hatte. „Ficht ehrlich!“ war das Symbolum, das der Waffenschmied in die schöne Klinge gegraben hatte, und er sollte sie für eine Sache führen, die ihre Ungerechtigkeit an der Stirne trug? Wo er der Kriegskunst erfahrener Männer, der Tapferkeit des Einzelnen die Entscheidung zutraute, da sollten geheime Ränke, die Politica, wie Herr Dieterich sich ausdrückte, entscheiden? Wo ihn der fröhliche Glanz der Waffen, die Aussicht auf Ruhm gelockt hatte, da sollte er nur den habgierigen Planen dieser Menschen dienen? Ein altes Fürstenhaus, dem seine Ahnen gerne gedient hatten, sollte er von diesen Spießbürgern vertreiben sehen? Unerträglich wollte ihm auch der Gedanke scheinen, von diesem Kraft sich belehren lassen zu müssen.

Doch dem Unmut über seinen gutmütigen Wirt konnte er nicht lange Raum geben, wenn er bedachte, daß ja jene Plane nicht in seinem Kopfe gewachsen seien; und daß Menschen, wie dieser politische Ratsschreiber, wenn sie einmal ein Geheimnis, einen großen Gedanken in Erfahrung gebracht haben, ihn hegen und pflegen wie ihren eigenen; daß sie sich mit dem adoptierten Kinde brüsten, als wäre es Minerva und aus ihrem eigenen harten Kopfe entsprungen.

Mit milderen Gedanken kam er zu seinem Gastfreund, als man ihn zu Tisch rief.

Ja, die ganze Ansicht der Dinge wurde ihm nach einigen Stunden bei weitem erträglicher, als er sich erinnerte, daß ja auch Mariens Vater dieser Partei folge; es war ihm, als möchte die Sache doch nicht so schwarz sein, welcher Männer, wie Frondsberg, ihre Dienste geliehen.

Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort,
Das schnell sich handhabt wie des Messers Schneide, –
– Gleich heißt Ihr alles schändlich oder würdig,
Bös oder gut. –[1]

[89] Dieses wahre Wort des Dichters möge die Gesinnung Georgs bezeichnen, die Gesinnung Georgs, der vielleicht allzu schnell seine Ansicht über jene Dinge änderte. Und wie die düsteren Falten des Unmuts auf einer jugendlichen Stirne sich schneller glätten, wie selbst schmerzliche Eindrücke in des Jünglings Seele von freundlichen Bildern leicht verdrängt werden, so erhellte auch Georgs Seele der freudige Gedanke an den Abend.

Man hat uns erzählt, daß unter die schönsten Stunden im Leben der Liebe die gehören, wo die Erwartung sich an schöne Erinnerungen knüpft. Der Geist seie da ahnungsvoller, das Herz gehobener. So mochte auch Georg fühlen. Er träumte von den schönen Augenblicken, wo es ihm vergönnt sein werde, die Geliebte zu sehen, sie zu sprechen, ihre Hand zu fassen und in ihrem Auge zu lesen.





VI.


 „Und als er sie schwingt nun im luftigen Reigen,
 Da flüstert sie leise, sie kann’s nicht verschweigen.“
 L. Uhland.[2]


Wenn es möglich gewesen wäre, auf einem Trödelmarke oder in der Auktion eines Antiquars ein „Taschenbuch zum geselligen Vergnügen, mit neuen Tanztouren vom Jahr 1519“ aufzufinden, wir hätten nicht leicht so angenehm überrascht werden können als durch einen Fund ähnlicher Art, den uns der Zufall in die Hände spielte.

Wir waren nämlich in vorliegender Historie bis an dieses Kapitel gekommen, das, um der Sage zu folgen, von einem Abendtanz handeln soll; da fiel uns mit einem Male der Gedanke schwer aufs Herz, daß wir ja nicht einmal wissen, wie und was man in jenen Zeiten getanzt habe.

Wir hätten zwar schlechthin sagen können, „sie tanzten“; aber wie leicht wäre es geschehen gewesen, daß eine unserer freundlichen


  1. Schiller, „Wallensteins Tod“ 2. Aufzug, 2. Auftritt.
  2. Anfang der 2. Strophe des Gedichtes: „Graf Eberstein“
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 88–89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)