Seite:De Wilhelm Hauff Bd 1 073.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gefallen! ein blutiges Schlachtfeld dehnte sich zwischen ihm und seiner Liebe aus, sie war ihm auf lange, vielleicht auf ewig verloren.

Eilige Tritte, welche die Treppe heraufstürmten, weckten ihn aus seinem Brüten. Der Ratsschreiber steckte den Kopf in die Thüre. „Glück auf, Junker!“ rief er, „jetzt hebt der Tanz erst recht an. Aber Ihr wißt es vielleicht noch gar nicht? der Krieg ist angekündigt, schon vor einer Stunde sind unsere Absageboten ausgeritten.“

„Ich weiß es“, antwortete sein finsterer Gast.

„Nun, und hüpft Euch das Herz nicht freier? Habt Ihr auch gehört – nein, das könnt Ihr nicht wissen“, fuhr Dieterich fort, indem er zutraulich näher zu ihm trat, „daß die Schweizer bereits abziehen?“

„Wie, sie ziehen?“ unterbrach ihn Georg, „also hat der Krieg schon ein Ende?“

„Das möchte ich nicht gerade behaupten“, fuhr der Ratsschreiber bedenklich fort, „der Herzog von Württemberg ist noch ein junger, mutiger Herr und hat noch Ritter und Dienstleute genug. Zwar wird er wohl keine offene Feldschlacht mehr wagen, aber er hat feste Städte und Burgen. Da ist einmal der Höllenstein und darin Stephan von Lichow, ein Mann wie Eisen. Da ist Göppingen, das Philipp von Rechberg auch nicht auf den ersten Stückschuß ergeben wird; da ist Schorndorf, Rothenberg und Asperg, da ist vor allem Tübingen, das er tüchtig befestigt hat. Es wird noch mancher ins Gras beißen, bis Ihr Eure Rosse im Neckar tränket.

Nun, nun!“ fuhr er fort, als er sah, daß seine Nachrichten die finstere Stirne seines schweigenden Gastes nicht aufheitern konnten. „Wenn Ihr diese kriegerischen Botschaften nicht freundlich aufnehmet, so schenkt Ihr vielleicht einem friedlicheren Auftrag ein geneigtes Ohr. Sagt einmal, habt Ihr nicht irgendwo eine Base?“

„Base? ja, warum fragt Ihr?“

„Nun sehet, jetzt erst verstehe ich die verwirrten Reden, die vorhin Bertha vorbrachte. Als ich aus dem Rathaus kam, winkte [101] sie mir hinauf und befahl mir, meinen Gast heute nachmittag in ihren Garten an der Donau zu führen. Marie habe Euch etwas sehr Wichtiges an Eure Base, die sie sehr gut kenne, aufzutragen. Ihr müßt mir schon den Gefallen thun, mitzugehen. Solche Geheimnisse und Aufträge sind zwar gewöhnlich nicht weit her und ich wollte wetten, sie geben Euch ein Müsterlein für den Webstuhl oder eine Probe feiner Wolle, oder ein tiefes Geheimnis der Kochkunst, oder gar ein paar Körnlein von einer seltenen Blume mit, denn Marie ist eine große Gärtnerin – doch, wenn Ihr gestern an dem Mädchen Gefallen gefunden habt, gehet Ihr wohl selbst gerne mit.“

Mitten in den schmerzlichen Gedanken an die Scheidestunde mußte Georg über die List der Mädchen lachen; freundlich bot er dem guten Boten die Hand und schickte sich an, ihn in den Garten zu begleiten.

Dieser lag an der Donau, ungefähr zweitausend Schritte unter der Brücke; er war nicht groß, zeugte aber von Sorgfalt und Fleiß. Die schönen Obstbäume waren zwar noch nicht belaubt, und die in wunderlichen Formen abgestochenen Beete hatten noch keine Blumen, aber ein langer Taxusgang, der an dem Ufer des Flusses sich hinzog und in eine geräumige Laube endete, gab durch sein helles Grün einen lebhaften Anblick und hinlänglichen Schutz gegen die einem weißen Hals und schönen Armen so gefährlichen Strahlen der Märzsonne. Dort, auf dem breiten, bequemen Steinsitze, wo die Lücken der Laube eine freie Aussicht die Donau hinauf und hinab gewährten, hatten die Mädchen unter mancherlei Gesprächen der jungen Männer geharrt.

Marie saß traurig, in sich gekehrt; sie hatte den schönen Arm auf eine Lücke der Laube aufgestützt und das von Gram und Thränen müde Köpfchen in die Hand gelegt. Ihr dunkles, glänzendes Haar hob die Weiße ihres Teint um so mehr heraus, als stiller Kummer ihre Wangen gebleicht und schlaflose Nächte dem lieblichen blauen Auge seinen sonst so überraschenden Glanz geraubt und ihm einen matteren, vielleicht nur um so anziehenderen Schimmer von Melancholie gegeben hatten. Das vollendete Bild fröhlichen Lebens, saß die frische, runde, rosige Bertha neben ihr. Wie

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 100–101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_073.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)