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eiserne Thürklinke und die schwere eichene Zimmerthüre drehte sich ächzend auf.

Um einen großen, schwerfälligen Tisch saßen acht ältliche Männer, die den Kriegsrat des Bundes bildeten. Einige davon kannte Georg. Jörg Truchseß, Freiherr von Waldburg, nahm als Oberster-Feldlieutenant den obersten Platz an dem Tische ein, auf beiden Seiten von ihm saßen Frondsberg und Franz von Sickingen, von den übrigen kannte er keinen, als den alten Ludwig von Hutten; aber die Chronik hat uns ihre Namen treulich aufbewahrt, es saßen dort noch Christoph, Graf zu Ortenberg, Alban von Closen, Christoph von Frauenberg und Diepolt von Stein, bejahrte, im Heere angesehene Männer.

Georg war an der Thüre stehen geblieben, Frondsberg aber winkte ihm freundlich, näher zu kommen. Er trat bis an den Tisch und überschaute nun mit dem freien, kühnen Blick, der ihm so eigen war, die Versammlung. Aber auch er wurde von den Versammelten beobachtet, und es schien, als fänden sie Gefallen an dem schönen, hochgewachsenen Jüngling, denn mancher Blick ruhte mit Wohlwollen auf ihm, einige nickten ihm sogar freundlich zu.

Der Truchseß von Waldburg hob endlich an: „Georg von Sturmfeder, wir haben uns sagen lassen, Ihr seid auf der Hochschule in Tübingen gewesen, ist dem also?“

„Ja, Herr Ritter“, antwortete Georg.

„Seid Ihr in der Gegend von Tübingen genau bekannt?“ fuhr jener fort.

Georg errötete bei dieser Frage; er dachte an die Geliebte, die ja nur wenige Stunden von jener Stadt entfernt auf ihrem Lichtenstein war; doch er faßte sich bald und sagte: „Ich kam zwar nicht viel auf die Jagd, auch habe ich sonst die Gegend wenig durchstreift, doch ist sie mir im allgemeinen bekannt.“

„Wir haben beschlossen“, fuhr Truchseß fort, „einen sicheren Mann in jene Gegend zu schicken, auszukundschaften, was der Herzog von Württemberg bei unserem Anzug thun wird. Es soll auch über die Befestigung des Schlosses Tübingen, über die Stimmung des Landvolkes in jener Gegend genaue Nachricht eingezogen werden; ein solcher Mann kann dem Württemberger durch [127] Klugheit und List mehr Abbruch thun als hundert Reiter, und wir haben – Euch dazu ausersehen.“

„Mich?“ rief Georg voll Schrecken.

„Euch, Georg von Sturmfeder; zwar gehört Übung und Erfahrung zu einem solchen Geschäft, aber was Euch dran abgeht, möge Euer Kopf ersetzen.“

Man sah dem Jüngling an, daß er einen heftigen Kampf mit sich kämpfte. Sein Gesicht war bleich, sein Auge starr, seine Lippen fest zusammengeklemmt. Die Warnung Mariens war ihm jetzt auf einmal klar; aber wie fest er auch bei sich beschloß, den Antrag auszuschlagen, wie erwünscht beinahe diese Gelegenheit erschien, um dem Bunde zu entsagen, so kam ihm die Entscheidung doch zu überraschend, er scheute sich, vor den berühmten Männern seinen Entschluß auszusprechen.

Der Truchseß rückte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her, als der junge Mann so lange mit seiner Antwort zögerte: „Nun? wird’s bald? warum besinnt Ihr Euch so lange?“ rief er ihm zu.

„Verschonet mich mit diesem Auftrag“, sagte Georg nicht ohne Zagen, „ich kann, ich darf nicht.“

Die alten Männer sahen sich erstaunt an, als trauten sie ihren Ohren nicht. „Ihr dürft nicht, Ihr könnt nicht“, wiederholte Truchseß langsam, und eine dunkle Röte, der Vorbote seines aufsteigenden Zornes lagerte sich auf seine Stirne und um seine Augen.

Georg sah, daß er sich in seinen Ausdrücken übereilt habe; er sammelte sich und sprach mit freierem Mute: „Ich habe Euch meine Dienste angeboten, um ehrlich zu fechten, nicht aber um mich in Feindesland zu schleichen und hinterrücks nach seinen Gedanken zu spähen. Es ist wahr, ich bin jung und unerfahren, aber so viel weiß ich doch, um mir von meinen Schritten Rechenschaft geben zu können; und wer von euch, der Vater eines Sohnes ist, möchte ihm zu seiner ersten Waffenthat raten, den Kundschafter zu machen?“

Der Truchseß zog die dunkeln, buschigen Augenbrauen zusammen und schoß einen durchdringenden Blick auf den Jüngling, der so kühn war, anderer Meinung zu sein als er. „Was fällt

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 126–127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_086.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)