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wie schlug da sein Herz dem Kampf entgegen, um Marien zu verdienen. Und als er das erste Mal vor jenen Frondsberg geführt wurde, wie erhebend war der Gedanke, unter den Augen dieses Mannes zu streiten, aus seinem Munde sich Ruhm zu erwerben! – Und wie erkaltete bald darauf sein Eifer, als der Bund in seinen Augen jenen Glanz verlor, mit welchem ihn seine jugendliche Phantasie umgeben hatte; wie schämte er sich, sein Schwert für die zu ziehen, die nur von Eigennutz und Habgier getrieben, das schöne Land sich zur Beute ausersehen hatten! Wie schrecklich der Gedanke, Marie und die Ihrigen auf der feindlichen Seite zu wissen, treu ergeben dem unglücklichen Fürsten, den auch er aus seinen Grenzen zu jagen helfen sollte? Um eine solche Sache sollte er jenes teure Herz brechen, das unter jedem Wechsel treu für ihn schlug? „Nein! Du hast es wohl mit mir gemeint“, sprach er, indem sein Auge dem Strahl der Abendsonne, der durch die runden Scheiben hereinfiel, hinauf zu dem blauen Himmel folgte; „du hast es wohl mit mir gemeint, was jedem andern, der heute an meiner Stelle stand, zum Verderben gewesen wäre, hast du für mich zum Heil gelenkt!“ Jene Heiterkeit, die, seit er wußte, wie furchtbar sich das Geschick zwischen ihn und die Geliebte stellte, einem trüben Ernste gewichen war, kehrte wieder auf seine Stirne, um seinen Mund zurück; er sang sich ein frohes Lied, wie in seinen frohesten Augenblicken.

Erstaunt betrachtete ihn der eintretende Herr von Kraft. „Nun, das ist doch sonderbar“, sagte er, „ich eile nach Haus, um meinen Gast in seinem gerechten Schmerz zu trösten, und finde ihn so fröhlich wie nie; wie reime ich das zusammen?“

„Habt Ihr noch nie gehört, Herr Dieterich“, entgegnete Georg, der für geratener hielt, seine Fröhlichkeit zu verbergen, „habt Ihr nie gehört, daß man auch aus Zorn lachen und im Schmerz singen könne?“

„Gehört hab’ ich es schon, aber gesehen nie bis zu diesem Augenblick“, antwortete Kraft.

„Nun, und Ihr habt also auch von der verdrüßlichen Geschichte gehört“, fragte Georg, „man erzählt sich es gewiß schon auf allen Straßen?“

[131] „O nein“, antwortete der Ratsschreiber, „man weiß nirgens etwas davon, man hätte ja zugleich Eure geheime Sendung nach Württemberg damit ausposaunen müssen. Nein! ich habe, Gott sei Dank, so meine eigenen Quellen und erfahre manches noch in der Stunde, wo es gethan oder gesprochen wurde. Aber nehmt mir’s nicht übel, Ihr habt da einen dummen Streich gemacht!“

„So?“ antwortete Georg lächelnd, „und warum denn?“

„Bot sich Euch nicht die schönste Gelegenheit, Euch auszuzeichnen? Wem wären die Bundesobersten mehr Dank schuldig als –“

„Sagt es nur heraus“, unterbrach ihn Georg, – „als dem Kundschafter in des Feindes Rücken. Es ist nur schade, daß mein Vater und die Ehre meines Namens mich vor, nicht hinter den Feind bestimmt haben, es sei denn, daß er vor mir fliehe.“

„Dies sind Bedenklichkeiten, die ich nicht bei Euch gesucht hätte; wahrlich, wenn ich so bekannt in jener Gegend wäre, wie Ihr, man hätte es mir nicht zweimal sagen dürfen.“

„Ihr habt hier zu Land vielleicht andere Grundsätze über diesen Punkt“, sagte Georg nicht ohne Spott, „als wir in unserem Franken, das hätte Truchseß von Waldburg bedenken und einen Ulmer schicken sollen.“

„Ihr bringt mich da eben recht noch auf etwas anderes; der Oberfeldlieutenant! Wie habt Ihr ihn Euch so zum Feinde machen mögen, denn daß dieser Euch das Geschehene in seinem Leben nicht verzeiht, dürft Ihr gewiß sein.“

„Das ist mein geringster Kummer“, antwortete Georg, „aber eines thut mir weh, daß ich den Übermütigen, der schon meinem Vater Böses gethan, wo er konnte, nicht vor meine Klinge stellen und ihm zeigen kann, daß der Arm nicht so ganz zu verachten ist, den er heute von sich gestoßen hat.“

„Um Gotteswillen“, fiel Kraft ein, „sprecht nicht so laut, er könnte es hören; überhaupt müßt Ihr Euch sehr zusammennehmen, wenn Ihr ferner im Heere unter ihm dienen wollt!“

„Ich will den Herrn Truchseß von meinem verhaßten Anblick bald befreien; so Gott will, habe ich die Sonne zum letztenmal in Ulm untergehen sehen!“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 130–131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_088.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)