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Georg hatte sich zwar selbst vorgestellt, daß ihn Frondsberg nicht ohne Abschied werde ziehen lassen, und doch war ihm bange vor dem Anblick dieses Mannes, der es so gut mit ihm gemeint, und dessen freundliche Plane er so schnell durchkreuzt hatte. Er schnallte unter den Gedanken an diesen schweren Gang sein Schwert um und wollte eben seinen Mantel zurecht richten, als ein sonderbares Geräusch von der Treppe her seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Schwere Tritte vieler Menschen näherten sich seiner Thüre, er glaubte Schwerter und Hellebarden auf dem Estrich seines Vorsaales klirren zu hören, er machte schnell einige Schritte gegen die Thüre, um sich von dem Grund seiner Vermutung zu überzeugen.

Aber noch ehe er die Thüre erreicht hatte, ging diese auf, das matte Licht einiger Kerzen ließ ihn mehrere bewaffnete Kriegsknechte sehen, die seine Thüre umstellt hatten. Jener alte Kriegsmann, der ihn heute vor dem Kriegsrat empfangen hatte, trat aus ihrer Mitte hervor:

„Georg von Sturmfeder!“ sprach er zu dem Jüngling, der mit Staunen zurücktrat, „ich nehme Euch auf Befehl eines hohen Bundesrates gefangen.“

„Mich? gefangen?“ rief Georg mit Schrecken. „Warum? wessen beschuldigt man mich denn?“

„Das ist nicht meine Sache“, antwortete der Alte mürrisch, „doch wird man Euch vermutlich nicht lange in Ungewißheit lassen. Jetzt aber seid so gut und reicht mir Euer Schwert und folget mir auf das Rathaus.“

„Wie? Euch soll ich mein Schwert geben?“ entgegnete der junge Mann mit dem Zorn beleidigten Stolzes, „wer seid Ihr, daß Ihr mir meine Waffen abfordern könnet? da muß der Rat ganz andere Leute schicken als Euch, so viel verstehe ich auch von Eurem Handwerk!“

„Um Gotteswillen, gebt doch nach“, rief der Ratsschreiber, der sich bleich und verstört an seine Seite gedrängt hatte; „gebt nach; Widerstand kann Euch wenig nützen; Ihr habt es mit dem Truchseß zu thun“, flüsterte er heimlicher; „das ist ein böser Feind, bringt ihn nicht noch ärger gegen Euch auf.“

[135] Der alte Kriegsmann unterbrach die Einflüsterungen des Ratsschreibers: „Es ist wahrscheinlich das erste Mal, Junker“, sagte er, „daß Ihr in Haft genommen werdet, deswegen verzeihe ich Euch gern die unziemlichen Worte gegen einen Mann, der oft in einem Zelt mit Eurem Vater schlief. Euer Schwert möget Ihr auch immerhin behalten; ich kenne diesen Griff und diese Scheide, und habe den Stahl, den sie verschließt, manchen rühmlichen Kampf ausfechten sehen. Es ist löblich, daß Ihr viel darauf haltet und es nicht in jede Hand kommen lassen möget. Aber aufs Rathaus müßt Ihr mit, denn es wäre thöricht, wenn Ihr der Gewalt Trotz bieten wolltet.“

Der Jüngling, dem alles wie ein Traum erschien, ergab sich schweigend in sein Schicksal, er trug dem Ratsschreiber heimlich auf, zu Frondsberg zu gehen und diesen von seiner Gefangenschaft zu unterrichten. Er wickelte sich tiefer in seinen Mantel, um auf der Straße bei diesem unangenehmen Gang nicht erkannt zu werden, und folgte dem ergrauten Führer und seinen Lanzknechten.





XI.


 „Die Eisenthür geht auf, des Kerkers schwarze Wand
 Erhellt ein blasser Schein, er höret jemand gehen
 Und stemmt sich auf und sieht –“
 Wieland.[1]


Die Truppe, den Gefangenen in der Mitte, bewegte sich schweigend dem Rathaus zu. Nur eine einzige Fackel leuchtete ihnen voran, und Georg dankte dem Himmel, daß sie nur sparsame Helle verbreitete; denn er glaubte, alle Menschen, die ihn begegneten, müßten es ihm ansehen, daß er ins Gefängnis geführt werde. Nächst diesem beschäftigte ihn unterwegs vorzüglich ein Gedanke: es war das erste Mal in seinem Leben, daß er in ein Gefängnis geführt wurde, er dachte daher nicht ohne Grauen an einen feuchten, unreinlichen Kerker; das Burgverlies in seinem


  1. „Oberon“, 12. Gesang, 32. Strophe.
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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 134–135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_090.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)